Nicht erst seit der Corona-Pandemie stellen sich Fragen zur Nutzung von digitalen Lernmöglichkeiten im Schulunterricht. 17 Schulen und eine Einrichtung des zweiten Bildungswegs im Land Berlin erproben gerade, welche Plattformen und Online-Tools sinnvoll und nachhaltig in Lernprozesse eingebunden werden können. Wir sprachen mit Dr. Eva Heesen, die den Schulversuch „Hybride Formen des Lehrens und Lernens“ für die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie begleitet.
Wie gestaltet sich hybrides Lernen in der Praxis?
Vielfältig. Hybrides Lernen bedeutet ja in erster Linie mehr Freiheit und Flexibilität in der Gestaltung des Lehrens und Lernens. Das setzt Kreativität frei und motiviert, den bisherigen Unterricht zu überdenken. Die am Schulversuch beteiligten Schulen nutzen aktuell vor allem die Chance, die traditionellen Strukturen des Unterrichts aufzubrechen, beispielsweise durch digital angeleitete Projekte an unterschiedlichen Lernorten anstelle der 45-minütigen Unterrichtsstunden im Klassenraum. Es geht aber auch darum, den Unterricht anders zu gestalten, z.B. durch den Einsatz von flipped classroom (Umgedrehter Unterricht – Hausaufgaben und Stoffvermittlung werden getauscht) oder einer stärkeren gemeinsamen Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit dem eigenen Lernen, den eigenen Stärken und Schwächen und
Entwicklungsmöglichkeiten. Da wir noch am Anfang des Schulversuchs stehen, bin ich auf die weiteren Ideen sehr gespannt.
Wir hatten ja viel hybrides Lernen im vergangenen Schuljahr. Warum jetzt noch ein Schulversuch?
Die digitale Freizeitgestaltung ist schon seit Jahren Normalität, doch auch das Lernen hat sich verändert. Darauf muss Schule reagieren. Informationen aller Art gibt es auf Knopfdruck, aber wie werden daraus Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten? Welche gesellschaftlichen Auswirkungen hat die zunehmende Digitalisierung? Was müssen wir Schülerinnen und Schülern auf ihren Lebensweg mitgeben, um unserem Bildungsauftrag auch zukünftig gerecht zu werden? Was bedeutet das für die Organisation Schule? Diese Fragen bewegten uns schon vor der Pandemie.
Das Projekt startete mitten in der Corona-Pandemie. Welchen Einfluss hat dies Ihrer Meinung nach auf den Schulversuch?
Die Pandemie war und ist belastend. Sie hat jedoch auch drei Dinge sehr deutlich gemacht. Erstens, wie zentral der Lern- und Lebensort Schule für unsere Kinder und Jugendlichen ist. Zweitens, welche Potenziale digitale Tools für das individuelle und das gemeinsame Lernen sowie die Kommunikation haben und drittens, dass es bestimmter Kompetenzen bedarf, damit alle gleichermaßen an diesen Chancen teilhaben und sie optimal nutzen können. Mit diesen Erkenntnissen als Basis konnten wir optimal in den Schulversuch starten, um uns gemeinsam mit den Schulen und unseren externen Partnern der Beantwortung o. g. Fragen zu widmen.
Welche Erwartungen haben Sie, welche Erwartungen haben die teilnehmenden Schulen an den Schulversuch?
Manche Schulleitungen der teilnehmenden Schulen haben bereits ihre Erwartungen an anderer Stelle beschrieben. Der Schulversuch ist ein Startschuss, langgehegte oder in der Pandemie gereifte Innovationsideen umzusetzen – und zwar gemeinsam mit Gleichgesinnten und unter wissenschaftlicher Begleitung. Meine Erwartung ist, dass uns das gelingt.