Der Ausschuss empfiehlt der Bezirksverordnetenversammlung die Annahme des Antrages in folgender Fassung:
Das Bezirksamt wird ersucht die derzeitige Präventionskette zu erweitern und zu einer lebensphasenübergreifenden Präventionskette auszubauen. Hierzu sind die Ressourcen und Kompetenzen der kommunalen Akteure und Institutionen zu bündeln und Unterstützungsangebote auf einander abzustimmen.
-Schlussbericht-
Mit Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung vom 13. Juli 2016 wurde das Bezirksamt Neukölln ersucht, die derzeitige Präventionskette zu erweitern und zu einer lebensphasenübergreifenden Präventionskette auszubauen. Hierzu sind die Ressourcen und Kompetenzen der kommunalen Akteure und Institutionen zu bündeln und Unterstützungsangebote auf einander abzustimmen.
Dem in Rede stehenden Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln, die integrierte kommunale Strategie der Gesundheitsförderung (Neuköllner Präventionskette) der Abteilung Jugend und Gesundheit zu erweitern und zu einer lebensphasenübergreifenden Präventionskette auszubauen wird weiterhin gefolgt. Die Orientierung an den bestehenden Lebensphasen der Einwohnerinnen und Einwohner Neuköllns war von Anfang an Bestandteil der strategischen Planung. Die bisher betrachteten und mittelfristig zu betrachtenden Lebensphasen sind:
- Schwangerschaft und Geburt
- mit der bedarfsbezogenen Verzahnung von Gesundheitswesen und Jugendhilfesystem
- 0. bis 3. Lebensjahr
- mit dem Übergang von der Familien in die Kita
- 3. bis 6. Lebensjahr
- mit dem Übergang von der Kita in die Grundschule
- 6. bis 12. Lebensjahr
- mit dem Übergang in die weiterführende Schule
Wissenschaftlicher und praktischer Konsens ist, dass insbesondere die Übergänge zwischen den Lebensphasen, die oft auch von Übergängen zwischen den Institutionen verbunden sind, von großer Bedeutung für die Entwicklung von Familien und Kindern sind. Insbesondere – aber nicht nur – für von bestehenden Risikofaktoren belastete Familien können hier Brüche entstehen, die im weiteren Lebensverlauf negative Folgen haben. Auf der anderen Seite können erfolgreiche Übergänge Selbstbewusstsein und Selbstwirksamkeit stärken, gesundheits- und bildungsorientiertes Handeln motivieren und erleichtern sowie das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten ganzer Familiensysteme stärken.
Die strategische Ausrichtung der Neuköllner Präventionskette zeichnet sich neben diesem lebensphasenorientierten Ansatz durch eine primär- bzw. universalpräventive Herangehensweise mit ergänzenden Maßnahmen der sekundär- bzw. selektiven Prävention aus. Dies ist eine Schlussfolgerung aus der integrierten Sozial- und Gesundheitsberichterstattung der Abteilung Jugend und Gesundheit, die die regelmäßigen Einschulungsuntersuchungen gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung auswertet. Demnach sind sowohl alle Bezirksregionen in Neukölln als auch alle sozialen Schichten der Neuköllner Bevölkerung von berlinweit überdurchschnittlich hohen Werten in den Kernindikatoren der berlinweit standardisierten Einschulungsuntersuchungen betroffen.
Primäre Prävention richtet sich an alle Personen, die im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe Adressat sein können (daher auch universelle Prävention genannt). Im primärpräventiven Bereich soll durch Aufklärung, Anleitung und Beratung dazu beigetragen werden, abweichendes Verhalten und Risiken in der kindlichen Entwicklung abzuwenden. Sekundäre Prävention richtet sich an Personen oder Personengruppen, deren normabweichendes Verhalten noch nicht eingetreten ist, die aber durch das Zusammentreffen bestimmter Faktoren wie Arbeitslosigkeit, Suchtmittelkonsum, familiäre Probleme oder niedrigen Bildungsgrad durch eine höhere Wahrscheinlichkeit eines Normverstoßes gekennzeichnet sind (daher auch selektive Prävention genannt).
Folgende bisher erfolgte Maßnahmen können diesen beiden Präventionsebenen zugeordnet werden (Lebensphase(n) in Klammern):
Primärprävention
- Ersthausbesuche des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes (KJGD) (1)
- Neuköllner Begrüßungspaket (1)
- Neuköllner Familiengutschein (1, 2)
- App Gesundes Neukölln und die dazugehörige Datenbank und Webanwendung (1, 2, 3, 4)
- Kind und Kita (2)
- Kind, Kita, Grundschule (3)
Sekundärprävention
- Kooperation der Stadtteilmütter mit dem KJGD (1, 2, 3)
- Babylotse am Vivantes Klinikum Neukölln (1)
- Schreibabyambulanz (1, 2)
- Familienhebammen (1)
- Ehrenamtsprojekt Bärenstark (1, 2)
Über diese öffentlich wirksamen Maßnahmen hinaus wurden weitere Projekte umgesetzt. So zum Beispiel die Entwicklung einer bezirklichen Rahmenkonzeption für den Übergang von der Kita in die Grundschule, der institutionalisierte fachübergreifende Austausch im Rahmen der Neuköllner Qualitätswerkstätten und eine jährliches zentrales Netzwerktreffen der Neuköllner Präventionskette (Neuköllner Präventionskonferenz). Forschungsprojekte wie die Wirkungsstudie zur Kindergesundheit und ein geplantes daran anschließendes Projekt zur Umsetzung deren Ergebnisse tragen zu einem besseren Verständnis und zu einer Stärkung der Einbettung gesundheitsförderlicher Strukturen in den pädagogischen Alltag der Neuköllner Kindertagesbetreuung bei. Zudem ist ein Projekt zur besseren Vernetzung von Kita und Schule und zur strukturierten Vernetzung am Übergang zwischen beiden Einrichtungen vorgesehen. Die dafür erforderlichen Haushaltsmittel werden für die Haushaltsjahre 2018/19 beantragt werden.
Mittelfristig wird die Lebensphase vom 6. bis zum 12. Lebensjahr in den Fokus rücken. Die Stärkung gesundheitsförderlicher Strukturen und die Befähigung zu gesundheitsförderlichem Verhalten im Setting Schule wird dabei im Zentrum stehen. Dazu ist eine weitere enge Abstimmung mit der Abteilung Bildung, Schule, Kultur und Sport, den Schulsozialstationen und der Schulaufsicht erforderlich und angestrebt.
Weitere strategische Erweiterungen der Neuköllner Präventionskette folgen darauf. Dazu wird rechtzeitig eine Fortschreibung des Handlungsleitfadens zur Neuköllner Präventionskette erfolgen, die der Bezirksverordnetenversammlung zur Kenntnis gegeben wird.
Zusätzlich zur integrierten kommunalen Strategie der Gesundheitsförderung entlang der Lebensphasen findet weiterhin eine spezifische Betrachtung einzelner Zielgruppen und weiterer Lebensphasen statt. So wird seitens der Psychiatrie- und Suchthilfekoordination insbesondere für eine angemessene und bedarfsgerechte Wohnraumversorgung psychisch- und suchtkranker Menschen im Rahmen der Verselbständigung junger Menschen und der Sicherung der Selbständigkeit älterer Menschen gearbeitet. Die Gesundheitsförderung bemüht sich insbesondere für ältere Menschen unter anderem um eine verbesserte Inanspruchnahme und Nutzung von Bewegungsangeboten im öffentlichen Raum. Prävention von Erkrankung und Aufklärung über individuelle Risiken sind weitere Schwerpunkte, die mit mehreren Veranstaltungen im Jahr bedient werden. Schwerpunktmäßig sind hier die Themenbereiche Schlaganfallvorsorge bzw. Nachsorge, Darmgesundheit und Demenzerkrankung zu benennen, die den Fokus insbesondere auf die Gesundheit älterer Neuköllner Bürgerinnen und Bürger richten. Die gute abteilungsübergreifende Zusammenarbeit und die Zusammenarbeit mit freien Trägern, dem Klinikum Neukölln, Selbsthilfezentren, anderen Bezirken und Krankenversicherungen wird in diesem Sinne fortgesetzt.
Das Bezirksamt sieht den BVV-Beschluss damit als erledigt an.
Berlin-Neukölln, den
________________________________________
Dr. Franziska GiffeyFalko Liecke