Drucksache - DS/0892/IV
Seit einem Jahr campen Flüchtlinge auf dem Kreuzberger Oranienplatz, um auf die menschenunwürdige europäische und deutsche Asylpraxis aufmerksam zu machen. Ein Teil bricht bewusst die Residenzpflicht, um sich in Berlin, der Schaltzentrale der für flüchtlingspolitische Fragen zuständigen Bundespolitik, Gehör zu verschaffen. Doch der größte Teil der Menschen auf dem Oranienplatz sind mittlerweile sogenannte Lampedusa-Flüchtlinge. Sie sind oftmals allein mit einem befristeten Visumsdokument aus Italien hier. Wegen dieses Visums bleibt ihre Anerkennung als Asylbewerber in der Sicht des Berliner Senats eine Angelegenheit der italienischen Behörden. Die Flüchtlinge berichten über Erfahrungen mit den italienischen Behörden, die ihnen ihre Rechte als AsylbewerberInnen (Unterkunft, Mittel zum Lebensunterhalt) vorenthalten und stattdessen ein befristetes Visum ausstellen sowie Geld für eine Fahrkarte in die Hand drücken. Hier angekommen, dürfen sie weder arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, noch haben sie Anspruch auf staatliche Unterstützung. Sie dürfen nur für die Laufzeit ihres Visums hier sein, für ihre Unterkunft und ihr Überleben sorgt aber außer der Solidarität der Bevölkerung keiner. Diese Menschen sind unter lebensgefährlichen Umständen z.B. aus Libyen über das Mittelmeer auf die italienische Insel Lampedusa geflohen. Manche wurden mit Waffengewalt zu dieser Überfahrt gezwungen. Nicht wenige haben dabei Familienangehörige und Freunde durch Ertrinken verloren. Die vielen Todesopfer der letzten Woche waren dabei nur trauriger Höhepunkt einer dauerhaften humanitären Katastrophe.
Bis heute gehören das Bezirksamt und die Bezirksverordnetenversammlung in Friedrichshain-Kreuzberg zu den wenigen politischen Akteuren, die sich den Forderungen und den Problemen dieser Menschen annehmen - auch wenn eine Änderung der Gesetze auf Bezirksebene nicht möglich ist. Das Bezirksamt hat mit Unterstützung der Bezirksverordnetenversammlung die Errichtung eines politischen Aktions-Camps durch die protestierenden Flüchtlingen auf dem Oranienplatz ermöglicht, indem das Camp eine dauerhafte Duldung erhielt. Nach Auffassung der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg muss es auch Flüchtlingen möglich sein, ein Demonstrationsrecht auszuüben und auf sie betreffende Missstände hinzuweisen. Es ist ein Gebot der Menschlichkeit auf das Bedürfnis, auf die eigene Not aufmerksam machen zu können, nicht mit Repression, Räumung und Vertreibung zu reagieren. Die Situation wird nicht dadurch besser, dass man sie an den Rand der Gesellschaft drängt und ignoriert. Als der Wintereinbruch 2012 das Zelten unmöglich machte und Flüchtlinge in einer leerstehenden Schule im Bezirk notdürftig unterkamen, duldete das Bezirksamt dies ebenfalls. Diese Unterstützung ging und geht immer wieder an die Grenzen dessen, was ein Bezirk zu leisten in der Lage ist. Denn: Wir haben weder die Mittel noch die Möglichkeiten, die Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen.
Als Bezirksverordnete unterstützen wir die Flüchtlinge weiterhin. Doch wir sind nicht allein zuständig. Wir appellieren daher an alle Europa-, Bundes- und Landespolitiker*innen, gemeinsam mit uns pragmatische Lösungen im Interesse der Menschen zu finden. Insbesondere an den Berliner Senat appellieren wir, nicht nur schnellstmöglich ein Winterquartier für die Flüchtlinge zu finden, sondern sich auch für eine aufenthaltsrechtliche Anerkennung einzusetzen. Hierfür müssen die zuständigen Senatsverwaltungen gemeinsam mit dem Regierenden Bürgermeister zusammen arbeiten, anstatt die Zuständigkeit hin und her zu schieben. Vor der Not der Menschen dürfen wir die Augen nicht verschließen!
Wir fordern vom Regierenden Bürgermeister und dem Berliner Senat:
Kein Mensch flüchtet freiwillig. Die Flüchtlinge, die nach Europa kommen, sind Kriegen, Verfolgung, Elend und Tod entronnen, mussten ihre Familie und ihr Hab und Gut zurücklassen. In vielen Fällen haben sie für die Flucht ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Die oftmals traumatisierten Menschen werden in Deutschland wie Kriminelle behandelt. Wir sagen: Asyl ist ein Menschenrecht, Flucht kein Verbrechen und die Menschenwürde nicht relativierbar! Diese im Grundgesetz verankerten Maximen dürfen nicht länger bloße Worthülsen bleiben, sondern müssen endlich als Basis für eine neue, humane Flüchtlingspolitik dienen. Dies kann der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg allein nicht leisten - denn für Flüchtlingspolitik sind wir alle zuständig!
BVV 23.10.2013
Seit einem Jahr campen Flüchtlinge auf dem Kreuzberger Oranienplatz, um auf die menschenunwürdige europäische und deutsche Asylpraxis aufmerksam zu machen. Ein Teil bricht bewusst die Residenzpflicht, um sich in Berlin, der Schaltzentrale der für flüchtlingspolitische Fragen zuständigen Bundespolitik, Gehör zu verschaffen. Doch der größte Teil der Menschen auf dem Oranienplatz sind mittlerweile sogenannte Lampedusa-Flüchtlinge. Sie sind oftmals allein mit einem befristeten Visumsdokument aus Italien hier. Wegen dieses Visums bleibt ihre Anerkennung als Asylbewerber in der Sicht des Berliner Senats eine Angelegenheit der italienischen Behörden. Die Flüchtlinge berichten über Erfahrungen mit den italienischen Behörden, die ihnen ihre Rechte als AsylbewerberInnen (Unterkunft, Mittel zum Lebensunterhalt) vorenthalten und stattdessen ein befristetes Visum ausstellen sowie Geld für eine Fahrkarte in die Hand drücken. Hier angekommen, dürfen sie weder arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, noch haben sie Anspruch auf staatliche Unterstützung. Sie dürfen nur für die Laufzeit ihres Visums hier sein, für ihre Unterkunft und ihr Überleben sorgt aber außer der Solidarität der Bevölkerung keiner. Diese Menschen sind unter lebensgefährlichen Umständen z.B. aus Libyen über das Mittelmeer auf die italienische Insel Lampedusa geflohen. Manche wurden mit Waffengewalt zu dieser Überfahrt gezwungen. Nicht wenige haben dabei Familienangehörige und Freunde durch Ertrinken verloren. Die vielen Todesopfer der letzten Woche waren dabei nur trauriger Höhepunkt einer dauerhaften humanitären Katastrophe.
Bis heute gehören das Bezirksamt und die Bezirksverordnetenversammlung in Friedrichshain-Kreuzberg zu den wenigen politischen Akteuren, die sich den Forderungen und den Problemen dieser Menschen annehmen - auch wenn eine Änderung der Gesetze auf Bezirksebene nicht möglich ist. Das Bezirksamt hat mit Unterstützung der Bezirksverordnetenversammlung die Errichtung eines politischen Aktions-Camps durch die protestierenden Flüchtlingen auf dem Oranienplatz ermöglicht, indem das Camp eine dauerhafte Duldung erhielt. Nach Auffassung der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg muss es auch Flüchtlingen möglich sein, ein Demonstrationsrecht auszuüben und auf sie betreffende Missstände hinzuweisen. Es ist ein Gebot der Menschlichkeit auf das Bedürfnis, auf die eigene Not aufmerksam machen zu können, nicht mit Repression, Räumung und Vertreibung zu reagieren. Die Situation wird nicht dadurch besser, dass man sie an den Rand der Gesellschaft drängt und ignoriert. Als der Wintereinbruch 2012 das Zelten unmöglich machte und Flüchtlinge in einer leerstehenden Schule im Bezirk notdürftig unterkamen, duldete das Bezirksamt dies ebenfalls. Diese Unterstützung ging und geht immer wieder an die Grenzen dessen, was ein Bezirk zu leisten in der Lage ist. Denn: Wir haben weder die Mittel noch die Möglichkeiten, die Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen.
Als Bezirksverordnete unterstützen wir die Flüchtlinge weiterhin. Doch wir sind nicht allein zuständig. Wir appellieren daher an alle Europa-, Bundes- und Landespolitiker*innen, gemeinsam mit uns pragmatische Lösungen im Interesse der Menschen zu finden. Insbesondere an den Berliner Senat appellieren wir, nicht nur schnellstmöglich ein Winterquartier für die Flüchtlinge zu finden, sondern sich auch für eine aufenthaltsrechtliche Anerkennung einzusetzen. Hierfür müssen die zuständigen Senatsverwaltungen gemeinsam mit dem Regierenden Bürgermeister zusammen arbeiten, anstatt die Zuständigkeit hin und her zu schieben. Vor der Not der Menschen dürfen wir die Augen nicht verschließen!
Wir fordern vom Regierenden Bürgermeister und dem Berliner Senat:
Kein Mensch flüchtet freiwillig. Die Flüchtlinge, die nach Europa kommen, sind Kriegen, Verfolgung, Elend und Tod entronnen, mussten ihre Familie und ihr Hab und Gut zurücklassen. In vielen Fällen haben sie für die Flucht ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Die oftmals traumatisierten Menschen werden in Deutschland wie Kriminelle behandelt. Wir sagen: Asyl ist ein Menschenrecht, Flucht kein Verbrechen und die Menschenwürde nicht relativierbar! Diese im Grundgesetz verankerten Maximen dürfen nicht länger bloße Worthülsen bleiben, sondern müssen endlich als Basis für eine neue, humane Flüchtlingspolitik dienen. Dies kann der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg allein nicht leisten - denn für Flüchtlingspolitik sind wir alle zuständig!
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