Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:
Das Bezirksamt wird beauftragt, sich für eine Anlaufstelle für von Zwangsverheiratung bedrohte Jungen und junge Männer sowie für die Schaffung gesicherter Unterkünfte einzusetzen.
Weil eine spezifische Anlaufstelle bisher fehlt, melden sich betroffene Jungen und Männer bei Mädchen-/Frauen- oder Anti-Gewalt-Projekten. Über die Dunkelziffer derer, die sich (ob Mädchen/Frau oder Junge/Mann) überhaupt nicht melden, kann nur spekuliert werden.
Bei den zuständigen Stellen - wie der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft oder dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - soll daher angeregt werden, Beratungsstrukturen und gesicherte Unterkünfte auch für Jungen und Jugendliche, die nicht der heterosexuellen Norm entsprechen, zu schaffen beziehungsweise auszubauen. Dabei sind auch eine interkulturelle Perspektive, das Angebot mehrsprachiger Beratungen und die Möglichkeit der Online-Beratung zu berücksichtigen.
Begründung:
Auch wenn nach wie vor überwiegend Mädchen und Frauen zur Ehe gezwungen und sogar in andere Länder verschleppt werden, steigen auch die erfassten Zahlen von Jungen und jungen Männern, die zwangsverheiratet werden sollen oder zwangsverheiratet wurden.
Zwangsverheiratungen sind eine Straftat (vgl. § 237 StGB) und verstoßen gegen Menschenrechte. Oftmals folgen auf eine Zwangsheirat weitere schwere Straftaten, wie Freiheitsberaubung, Vergewaltigung oder (schwere) Körperverletzung. Überwiegend sind davon Mädchen und junge Frauen betroffen. Für sie gibt es in Berlin ein vergleichsweise gut ausgebautes Hilfesystem. Anlaufstellen wie PAPATYA oder Wildwasser e.V. beraten und vermitteln ggf. eine Unterkunft in Frauenhäusern. Die Finanzierung dieser Einrichtungen muss weiterhin gesichert, der bedarfsgerechte Ausbau das Ziel sein!
In Friedrichshain-Kreuzberg leistet das Frauen- und Gleichstellungsbüro in Kooperation mit dem Berliner Arbeitskreis gegen Zwangverheiratungen Präventionsarbeit. So werden Schulen informiert, so dass auch Lehrer*innen für die Problematik sensibilisiert sind und bei einer drohenden Zwangsehe ihrer Schüler*innen intervenieren können. Außerdem werden Befragungen zum Ausmaß von Zwangsverheiratungen in Berlin durchgeführt.
Im Jahr 2013 wurden den Beratungsstellen und Anti-Gewalt-Projekten 460 Fälle von (drohenden oder bereits erfolgten) Zwangsverheiratungen bekannt: darunter 431 Mädchen und Frauen, 29 Männer und Jungen.
Zuletzt wurde auch über einen jungen Mann in den Medien berichtet: Er sollte nach seinem Coming-Out mit einer Frau verheiratet werden, wehrte sich gegen diese geplante Zwangsverheiratung und ging mit seiner Geschichte an die Presse. Er wollte damit auch anderen Betroffenen Mut machen, aber vor allem: ein selbstbestimmtes Leben führen!
Eine Anlaufstelle für Jungen und junge Männer, die von Zwangsverheiratung bedroht sind, sowie gesicherte Unterkünfte für Betroffene fehlen in Berlin bisher.
Dabei sollen die jungen Männer von Menschen beraten werden, die über migrations- und integrations-spezifisches Fachwissen verfügen. Das interkulturell ausgerichtete Angebot ist von großer Bedeutung, um eine Verständigung - sprachlich und kulturell - zu ermöglichen.
Anhang:
https://verschleppung.papatya.org/
Strafgesetzbuch (StGB) § 237 Zwangsheirat
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe nötigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(2) Ebenso wird bestraft, wer zur Begehung einer Tat nach Absatz 1 den Menschen durch Gewalt, Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List in ein Gebiet außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches dieses Gesetzes verbringt oder veranlasst, sich dorthin zu begeben, oder davon abhält, von dort zurückzukehren.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
BVV 28.10.2015
Die Bezirksverordnetenversammlung beschließt:
Das Bezirksamt wird beauftragt, sich für eine Anlaufstelle für von Zwangsverheiratung bedrohte Jungen und junge Männer sowie für die Schaffung gesicherter Unterkünfte einzusetzen.
Weil eine spezifische Anlaufstelle bisher fehlt, melden sich betroffene Jungen und Männer bei Mädchen-/Frauen- oder Anti-Gewalt-Projekten. Über die Dunkelziffer derer, die sich (ob Mädchen/Frau oder Junge/Mann) überhaupt nicht melden, kann nur spekuliert werden.
Bei den zuständigen Stellen - wie der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft oder dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - soll daher angeregt werden, Beratungsstrukturen und gesicherte Unterkünfte auch für Jungen und Jugendliche, die nicht der heterosexuellen Norm entsprechen, zu schaffen beziehungsweise auszubauen. Dabei sind auch eine interkulturelle Perspektive, das Angebot mehrsprachiger Beratungen und die Möglichkeit der Online-Beratung zu berücksichtigen.
Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:
Die Vorlage des Bezirksamtes wird zur Kenntnis genommen.
BVV 25.11.2015
Die Bezirksverordnetenversammlung beschließt:
Überweisung: Ausschuss für Frauen, Gleichstellung und Queer
Queer 13.01.2016
Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:
Die Vorlage wird zur Kenntnis genommen.
BVV 27.01.2016
Die Bezirksverordnetenversammlung beschließt:
Die Vorlage wird zur Kenntnis genommen.