Drucksache - 0994/XVIII
Das Bezirksamt teilt zu der o.g.
Drucksache folgendes mit: Grundsätzlich ist das Anliegen zu
begrüßen, in der Torgauer Straße einen Ort der Erinnerung an Julius Leber
(1891-1945) zu schaffen. Der Lübecker Sozialdemokrat und
Reichstagsabgeordnete war in den Jahren 1933-37 in KZ-Haft. Nach seiner
Freilassung konnte er sich und seiner Familie in Berlin, in der Kohlenhandlung
Bruno Meyer Nachf., eine Existenzgrundlage sichern. Dieser Ort wurde zu einem geheimen
Treffpunkt früherer sozialdemokratischer Funktionäre und Widerstandskämpfer. Ab
1943 arbeitete Leber eng mit dem militärischen Widerstand um Stauffenberg und
dem Kreisauer Kreis zusammen, und in 14-tägigem Abstand fanden Treffen von
NS-Gegnern in seiner Kohlenhandlung statt. 1944 traf sich Leber außerdem mit
Vertretern der illegalen KPD (Gruppe Saefkow, Bästlein, Jacob). In diesem
Zusammenhang wurde er am 5.6.1944 verhaftet, verriet jedoch seine Kontakte zu
Stauffenberg nicht. Am 20.10.1944 wurde er vom Volksgerichtshof im
Kammergericht am Kleistpark zum Tode verurteilt und am 15.1.1945 in Plötzensee
hingerichtet. Seine Ehefrau Annedore Leber führte
nach 1945 die Kohlenhandlung am gleichen Ort fort und gründete hier Ende der
40er Jahre den „Mosaik-Verlag“, einen Verlag vor allem für
politische Sachliteratur. Eine Gedenktafel an dem Wohnhaus von
Julius Leber im Bezirk Zehlendorf erinnert an den ermordeten Sozialdemokraten. Im Zuge der Projekte im Rahmen von
Stadtumbau West und der Planung eines Ost-West-Grünzuges entlang der Torgauer
Straße (Realisierung 2012) bietet sich jetzt die Möglichkeit, auch im Bezirk
Tempelhof-Schöneberg einen würdigen Ort zu realisieren, der an die Person
Julius Leber erinnert und seine Geschichte im Bewusstsein hält. Um den genauen Standort der früheren
Kohlenhandlung lokalisieren zu können, bedarf es noch weitergehender
Recherchen. Erste Archivrecherchen haben ergeben, dass die korrekte Adresse
vermutlich das Grundstück Torgauer Straße 24-26 ist (lt. Eintrag im Berliner
Adressbuch von 1942, wo die Firma von Bruno Meyer Nachf. Als „Kohlenplatz
Nr. 20“ bezeichnet und hier offenbar eine Lagerplatznummer benannt
wurde). Das Vorhandensein historischer
Bausubstanz, die Rückschlüsse auf den genauen Ort der konspirativen Treffen der
Widerstandsgruppen zulassen, müsste geprüft werden. Allerdings scheint es mit
Blick auf die historischen Ereignisse vor Ort nicht angemessen, hier
Gebäudeteile zu sichern bzw. bodendenkmalpflegerische Arbeiten durchzuführen.
Der Aufwand stünde hier in keinem Verhältnis zu dem Erkenntnisgewinn. Vielmehr sollte ein „Zeichen
der Erinnerung“ geschaffen werden, das ausgehend von der Authentizität
des Ortes vor allem historische Aufklärung unterstützt und eine kommunikative
Möglichkeit der Auseinandersetzung schafft – im Sinne von Salomon Korn,
dem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland: „Auch an
authentischen Orten sprechen die Steine nicht von selbst, sondern müssen erst
zum Sprechen gebracht werden.“ Insofern bietet sich auf dem
Grundstück an der Torgauer Straße die Aufstellung einer Stele oder einer Tafel
an, die hinreichend über die Persaon Julius Lebers, seine Widerstandstätigkeit
und Hinrichtung durch das NS-Regime informiert. Die stadträumliche Nähe zum
„Geschichtsquartier Papestraße“ ist dabei förderlich und kann den
Erinnerungsort unmittelbar mit den menscherverachtenden Ereignissen im ehemaligen
SA-Gefängnis an der General-Pape-Straße in Beziehung setzen. Das Amt für Planen, Genehmigen und
Denkmalschutz hat signalisiert, dass die Kosten für eine Informationsstele im
Rahmen des Programmbudgets von Stadtumbau West übernommen werden können. Der Bezirksverordnetenversammlung
wird über die weitere Entwicklung über ihren Fachausschuss berichtet. |
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