Sein Vater verstarb, ohne dass eine versöhnliche Aussprache mit dem
Sohn stattfinden konnte. Im Dialog mit seiner Mutter nimmt er
jahrzehntelang nicht ausgesprochene Wahrheiten, verdrängte Geheimnisse
und unaufgearbeitete Traumata in den Blick, die ihn bis zum
gegenwärtigen Tag nicht in Ruhe lassen. Wie haben sich die Gräuel, die
sein Vater im Krieg erlebte in die Familiengeschichte und in die Ehe
seiner Eltern eingeschrieben, wie das Trauma der Vertreibung und Flucht
der Mutter aus Westpreußen? Was wurde in der Familie jahrelang
verschwiegen? Wie wuchsen der Autor und seine Schwester in der
westdeutschen Provinz der Nachkriegszeit auf, wie konstruierte sich die
Familie? Wie wurde die schon im Teenageralter sich abzeichnende schwule
Identität des Autors von den Eltern unterdrückt und bekämpft? Wie wurde
auf homophobe Anfeindungen reagiert, die er erlebte? Wie setzen sich
Traumata, Schweigen und gewaltsame Unterdrückung in den eigenen
Beziehungen des Autors fort? Die Auseinandersetzung von Mutter und Sohn
wird zu einer Reise in die Abgründe der westdeutschen bürgerlichen
Gesellschaft von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart. Wie
verlässlich aber ist die eigene Erinnerung, wie glaubhaft die
Lebenserzählung der Mutter? Und hätte alles nicht auch ganz anders sein
können? Schon bald vermischt sich Autobiografisches mit Fiktivem,
widersprechen Erinnerungen einander und tun sich Möglichkeiten anderer
Realitäten auf. Im Spiel mit Autobiografie und Fiktion, in den
Widersprüchlichkeiten der eigenen Geschichte keimt aber auch Hoffnung:
Welche anderen Modelle von Männlichkeit, und damit andere Arten von
Vater - und Elternschaft, sind möglich? Welche Formen von Beziehungen
gibt es jenseits von patriarchaler Unterdrückung und Gewalt? Wie könnte
ein ganz anderes Leben aussehen?
Falk Richter wurde 1969 in Hamburg geboren und arbeitete viele Jahre
lang als Autor und Theatermacher an der Schaubühne. Seitdem inszenierte
er an zahlreichen deutschsprachigen und internationalen Theatern und
wurde 2018 für seine Inszenierung »Am Königsweg« zum Regisseur des
Jahres (Theater heute) gewählt. Ab der Spielzeit 2023/24 wird er wieder
regelmäßig an der Schaubühne arbeiten.
Bühne und Kostüme: Katrin Hoffmann
Musik: Daniel Freitag
Video: Lion Bischof
Dramaturgie: Nils Haarmann / Jens Hillje
Licht: Carsten Sander
Mit: Dimitrij Schaad
Dauer: ca. 105 Minuten
Premiere war am 19. November 2023
Neue Version in deutscher Sprache für die Schaubühne.
Eine erste Version der Inszenierung wurde am TNS Strasbourg in
Koproduktion mit der MC93 Bobigny und der Maison de la Culture d’Amiens
uraufgeführt.
Laufzeit: Sa, 14.12.2024 bis So, 15.12.2024