»Ich glaubte, die Welt umgestalten zu können, eine bessere und gerechtere Welt schaffen zu können.«
Ihr Leben dauert fast das ganze Jahrhundert – ein Leben auf der Flucht, ein Leben geprägt von einem großen Verlust, der bis heute schmerzt, der nie aufgehört hat zu schmerzen. Aber auch ein Leben geprägt von einer großen Hoffnung, die Unvorstellbares möglich gemacht hat. Es ist sehr viel später, dass die Tochter zu fragen beginnt, und die Mutter nach Antworten sucht, nach ihren eigenen Antworten. Und dann erzählt sie von der Zeit vor dem Muttersein, vom eigenen Tochtersein, vom Jüdischsein, vom Verstoßen werden, von der Ankunft in einem anderen Land, von Verlust und Schmerz, unüberwindbar bis zum Schluss – und dann von dem Unfassbaren: von der Rückkehr in die vollkommen zerbombte Geburtsstadt. Von dem Neuanfang, dieses Jubelwort, von der Gründung eines neuen Staates, der DDR, von einer gemeinsamen Vision, so stark wie nie zuvor, dem Wunsch, das Land zu verändern, die Welt besser zu machen, den Beweis zu erbringen, dass es geht.
Aber was bleibt, wenn diese Vision gefährlich ins Wanken gerät?
HEIMWEH WONACH untersucht nicht nur die großen Wendepunkte im Leben, sondern auch das Alltägliche, das Zusammenleben in der Familie zwischen Eltern und Kindern – mal zart und feinfühlig, und dann wieder voller Anklage. Das Stück zeigt, wie trotz erlebtem Schmerz und der Sprachlosigkeit darüber eine Annäherung zwischen den Generationen beginnen kann.
»Mit erbarmungsloser rücksichtsloser Heftigkeit bearbeitete meine Mutter mit den unterschiedlichsten Instrumenten ihre Finger. Nie war sie vorsichtig oder zart. Oft quoll das Blut heraus, das sie sich ableckte oder mehr absaugte. Ich beobachtete sie, wenn sie, wie ein Handwerker das richtige Instrument aussuchte. Wenn sie zu tief geschnitten hatte und das Blut hervortrat, schimpfte sie mit mir, als hätte ich daran Schuld.«
HEIMWEH WONACH basiert auf einem Interview mit Ursula Herzberg, geführt von Wolfgang Herzberg, ihrem Sohn, (Autor, Publizist und Texter für die Punk-Band PANKOW), ihrem eigenen Lebensbericht aus dem Jahr 2000 sowie Texten von ihrer Tochter Wera Herzberg (Regie).