Keith Warners Inszenierung von Verdis erster Erfolgsoper betont den Grundgedanken der Versöhnung, mit dem das Werk schließt: Unter dem weise gewordenen König Nabucco dürfen das Schriftvolk der Hebräer und das Kriegervolk der Babylonier auf eine friedliche Zukunft hoffen … Dirigent: Paolo Arrivabeni; Regie: Keith Warner; Mit Juan Jesús Rodríguez / Amartuvshin Enkhbat, Jorge Puerta, Liang Li, Ewa Płonka, Karis Tucker u. a.
Zum StückSeine dritte Oper brachte Giuseppe Verdi den Durchbruch: Mit seinem NABUCCO fand der 29-Jährige zu einer persönlichen Musiksprache, die das Publikum auf Anhieb begeisterte. Vor allem die dramatische Wucht der Chorszenen und die effektvolle, für die damalige Zeit unerhört lautstarke Orchestrierung verkündeten den Zeitgenossen, dass hier ein neues Kapitel Operngeschichte aufgeschlagen wurde. In NABUCCO machte Verdi erstmals den Chor zum Hauptakteur einer Oper und hatte dafür den idealen Stoff gefunden: Denn die Befreiung der Israeliten aus der babylonischen Gefangenschaft bot reichlich Gelegenheit zu wirkungsvollen Chornummern, die Sehnsucht und Aufbegehren eines unterdrückten Volkes ausdrückten. Nicht eine Arie, sondern der Gefangenenchor „Va, pensiero“, den die deportierten Juden an den Ufern des Euphrat singen, wurde denn auch zur bekanntesten Nummer der Oper, ja zur berühmtesten Verdi-Melodie überhaupt.
Daneben verrät NABUCCO aber auch schon Verdis Gespür für theaterwirksame Situationen und seine Vorliebe für die Gestaltung exzentrischer Figuren. Denn NABUCCO ist nicht nur eine Choroper, sondern auch ein Musikdrama, in dem es um den Zerfall einer Familie geht: Um das Halbschwesternpaar Fenena und Abigaille, das man sich gegensätzlicher kaum denken kann, und um ihren Vater, den autoritären Patriarchen Nabucco [dt. Nebukadnezar]. Während Fenena den jüdischen Prinzen Ismaele liebt und seinetwegen zur Religion des unterdrückten Volkes Israel übertritt, trachtet die eifersüchtige Abigaille danach, den Thron ihres Vaters zu besteigen: Als ihr Vater sich in einem Anfall von Größenwahn zum Gottkönig erklärt und dafür von Gott mit Wahnsinn gestraft wird, nutzt sie ihre Chance, putscht sich mithilfe des Militärs an die Macht und setzt ihren Vater gefangen.
Als der verzweifelte Nabucco im Gefängnis hört, dass Abigaille ihre Schwester Fenena hinrichten lassen will, kommt er zur Einsicht und bittet den Gott der Juden um Hilfe. Mit Hilfe seiner Truppen kann er Fenena befreien und schenkt den Israeliten die Freiheit.
Zur InszenierungDas Drama um die babylonische Gefangenschaft des Volkes Israel unter König Nebukadnezar ist eine der beliebtesten Opern Verdis und wurde an der Deutschen Oper Berlin zuletzt im Jahr 2000 von Hans Neuenfels kontrovers in Szene gesetzt. Im Verdi-Jahr 2013 stellte mit Keith Warner einer der bekanntesten Regisseure der internationalen Opernszene seine Annäherung an den Stoff vor: Orientiert an der Entstehungszeit des Werkes, in der die feudalen Strukturen sich hin zur bürgerlich-industriellen Gesellschaft wandelten, stellt Warner den Gegensatz zweier Völker in den Vordergrund seiner Inszenierung: der Hebräer, deren Kultur durch Schrift und ein demokratisches Bildungsideal geprägt ist, und der militaristischen Babylonier, deren Staatsverständnis auf einem autokratischen Herrschaftssystem beruht.
2 Stunden 45 Minuten / Eine Pause
Künstler/Beteiligte: Paolo Arrivabeni (Musikalische Leitung), Keith Warner (Inszenierung), Tilo Steffens (Bühne), Julia Müer (Kostüme), Jeremy Bines (Chöre), Juan Jesús Rodríguez (Nabucco), Jorge Puerta (Ismaele), Liang Li (Zaccaria), Ewa Płonka (Abigaille), Karis Tucker (Fenena), Gerard Farreras (Oberpriester des Baal), Jörg Schörner (Abdallo), Maria Motolygina (Anna), Chor der Deutschen Oper Berlin (Chöre), Orchester der Deutschen Oper Berlin (Orchester)