In der Gegenwart: Die Sprachlosigkeit hat uns im Griff, die Gewalt und ihre Folgen liegen vor uns, ausgebreitet, offenbar:
On(going) Trauma
Mehr denn je zeigt sich, wie rechte Kontinuitäten neue Auswüchse erreichen. In den Mehrheiten der Gesellschaft und auf der politischen Ebene entfaltet sich ein rechtes, ein gewaltvolles, ein ausschließendes, ein diskriminierendes Denken und Handeln.
On(going) Trauma
Mehr denn je zeigt sich, wie neoliberale Strukturen Vereinzelung und Entsolidarisierung vorangetrieben haben, wie wir ökologisch und sozial auf einen Endpunkt von Zivilisation zusteuern.
On(going) Trauma
Krieg in der Ukraine, Terror in Israel, Krieg in Gaza, politisch instrumentalisierte trans*Feindlichkeit, Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus, von rechts gekaperte und polarisierte Diskurse um Gerechtigkeit, Verteilungsfragen und globale Solidarität …
Mehr denn je zeigen sich hier die wunden Punkte der Vergangenheit in ihrer Wiederholung.
On(going) Trauma
Vereinzelung. Ohnmacht. Wut.
Mehr denn je zeigt sich: Die Gewalt, die passiert, macht uns zu Ungleichen: unter anderem zu denjenigen, denen sie eingeschrieben ist, und zu denjenigen, die sie nur von außen betrachten können. Die Schwierigkeit des Sprechens über Gewalt potenziert sich durch unsere Unterschiedlichkeit ins Unermessliche.
On(going) Trauma
Mehr denn je sind wir dazu aufgefordert, die Differenz zwischen uns, und Ambivalenzen auszuhalten. Und dabei unsere jeweiligen eigenen Verstrickungen in gewaltvolle Strukturen zu erkennen und aufzubrechen.
Mehr denn je stellt sich die Frage nach den Räumen und den Möglichkeiten des Zusammenkommens.**
Wir möchten mit unserer Reihe On(going) Trauma einen solchen Raum aufmachen: Welche Art der Auseinandersetzung mit Gewalt können die Künste schaffen? Wie lassen sich Traumata erfahrbar machen, wenn Worte scheitern? Wie lassen sie sich zeigen, ohne Gewalt zu wiederholen?
„On(going) Trauma“ öffnet gemeinsam mit Ko-Kurator*innen, Gäst*innen und den anwesenden Teilnehmer*innen einen Raum, um aus pluralen Perspektiven über künstlerische Forschungspraktiken im Umgang mit Trauma zu sprechen und von ihnen zu lernen. Vorgestellt werden diverse künstlerische und kuratorische Praktiken, in denen situiertes Wissen und Hintergründe systematischer Macht- und Gewaltstrukturen diskutiert, aktivistische und marginalisierte Perspektiven beleuchtet werden. In sechs Gesprächsrunden werden Diskurse aufgegriffen, die sich mit folgenden Schwerpunkten auseinandersetzen: Mediale Repräsentationen und Bildpolitiken von Gewalt; das Wachsen rechter Alltagspräsenz; in Körpern verankerte Traumata; traumatische Zeugenschaft und fiktionale (Gegen-)Narrative; private Konflikte und öffentliche Diskurse; sowie Aspekte der fragmentarischen und transgenerationalen Zeitlichkeit von Trauma.
Wie ist ein Miteinander trotz unterschiedlicher Voraussetzungen, Betroffenheit und Involviertheit möglich? Kann die Kunst dabei als eine Art dritte Disziplin verbindend wirken? Transformiert sich in ihrer Erfahrungsmöglichkeit die Erfahrung zu einer teilbaren?
Die Veranstaltungsreihe sucht eine kritische Auseinandersetzung und Neupositionierung des Trauma-Begriffs im Rahmen der Künste, mit dem Anliegen, die humanitären und sozialpolitischen Konsequenzen von Krisen und Gewalt in den Mittelpunkt zu rücken. Dabei soll auch erforscht werden, ob und wie die Künste ein potenziell emanzipierendes Forum für die Perspektiven der Opfer und Zeug*innen schaffen können. Denn angesichts der gegenwärtigen Krisensituationen und des international wachsenden Rechtsrucks wird deutlich, wie sehr Gewalterfahrungen unsere Gesellschaften zersetzen, und gleichzeitig, wie schwierig es ist, über diese Erlebnisse aus differenzierten Perspektiven zu sprechen und solidarische Verbindungslinien zu finden.
On(going) Trauma wurde als Fortsetzung der Reihe „Trauma — rechte Zukunft/deutsche Geschichte(n)“ (2022, Vierte Welt) initiiert, um eine nachhaltige diskursive Praxis zu etablieren, die sich einer gemeinschaftlichen Auseinandersetzung mit künstlerischen Arbeiten zu Traumata und (rechter) Gewalt widmet. On(going) Trauma ist ein Format des Austauschs und der Vernetzung, von, mit und für Künstler*innen, Kurator*innen, Aktivist*innen, Journalist*innen und Theoretiker*innen. Sie ist als offenes, solidarisches Gesprächsformat mit den anwesenden Teilnehmer*innen konzipiert. Bei jeder Veranstaltung werden Ausschnitte aus künstlerischen Arbeiten der eingeladenen Gäst*innen in Form von Screenings, Lesungen oder Performances gezeigt. On(going) Trauma findet an sechs Samstagnachmittagen von Mai bis Dezember 2024 zwischen 15:00-19:30 Uhr statt.
21.9.2024 Emanzipationen: Körper und Traumata (auf Englisch*) Wie werden im Körper manifestierte Traumata in künstlerischen Praktiken bearbeitet? Wie können sie als emanzipatorische und soziale Akte der Selbstbestimmung wirksam werden? mit Iz Öztat / kuratiert und moderiert von Alper Turan und Anna Lena Werner
26.10.2024 Narrative: Traumatische Zeugenschaft und Fiktionen (auf Deutsch*) Was bedingen dokumentarische, was fiktionale Erzählweisen traumatischer Erlebnisse? Von und mit Shira Wachsmann (Film: „the moment before“), Hai Anh Trieu (Kurzfilm: „I loved first“) u.a. Kuratiert und moderiert von N.N. und Elisa Müller
update Terminausfall, verschoben auf 25.01.2025: 30.11.2024 Schwellen: Private Räume und öffentliche Diskurse (auf Deutsch*) Jeder privaten Gewalterfahrung wohnt eine politische Dimension inne. Wie kann man diese gesellschaftlichen Aspekte mittels künstlerischen Praktiken sichtbar machen?
14.12.2024 Zeitlichkeit: Fragmente zwischen Vergangenheit und Zukunft (auf Englisch*)
Trauma wirkt massiv auf das Zeitempfinden ein: Es manipuliert Erinnerungsmechanismen und gibt Gewalterfahrungen transgenerational weiter. Wie werden sich Traumata auf die Zukunft auswirken und wie können solche Prozesse unterbrochen werden?
Timeliness: Fragments Between Past and Future
With Ghayath Almadhoun, Katharina Ludwig, Mykola Ridnyi Co-hosted/curated by Anna-Lena Werner & Katharina Ludwig
For the fifth encounter of the discursive series On(going) Trauma at Vierte Welt Berlin guests and audience present are invited to collectively address questions regarding trauma’s complex effects on temporality and how these are being explored, transformed or conveyed in artistic (and research) practices. Together, we will be focusing on the repetitive and sudden presence (– the timeliness –) of traumata between past experiences and possible future scenarios, on non-linear fragmentation of individual and collective memories, and on its transgenerational traces inscribed throughout personal histories. Trauma will be discussed as holes and portals for temporalities and voices, as un-healing wounds in poetry, texts, and language as such (Katharina Ludwig), as vocal echos of past violences shifting in time within the streets of Ukraine’s city Kharkiv (Mykola Ridnyi) and as a poetic excavation of identity, displacement and the collective scars of conflict, exploring how trauma reshapes language, with poetry bearing witness to the unspeakable effects of ongoing crises (Ghayath Almadhoun).
**Institut für Widerstand im Postfordismus, Mai 2024
Gesamtkonzept Anna Lena Werner, Elisa Müller (Institut für Widerstand im Postfordismus)
Ko-Kuratiert u.a. von Mykola Ridnyi, Hai Anh Trieu, Alper Turan Mit Beiträgen u.a. von Anujah Fernando, Alper Turan, Dominique Haensell, Hai Anh Trieu, İz Öztat, Lada Nakonechna, Lela Ahmadzai, Luce deLire, Katharina Ludwig, Mine Pleasure Bouvar, Minh Duc Pham, Mykola Ridnyi, Olexii Kuchanskyi, Omer Fast, Rana Eweiss, Rabih Mroué, Shira Wachsmann, Yael Bartana, Zwoisy Mears-Clarke Awareness Mine Pleasure Bouvar, Grafik Lea Kontak Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Nora Gores, Projektassistenz Ariadna Blanch López
Die sechsteilige Kunst- und Diskursreihe On(going) Trauma ist initiiert vom Institut für Widerstand/Elisa Müller im Postfordismus und Anna-Lena Werner in Kooperation mit Vierte Welt in Berlin, gefördert durch Hauptstadtkulturfonds.