Dies gilt gerade auch für den Umgang mit Werken, die christliche Themen zum Inhalt haben. Zwar sind manche von ihnen mit den klangvollsten Namen der Kunstgeschichte verbunden, zugleich fällt einem vermehrt säkularen und nicht christlich geprägten Publikum der Zugang zu ihren Themen recht schwer. Zeitgenössische Kunstbetrachter*innen sind oftmals nicht mehr vertraut mit den dargestellten Heiligengeschichten, den spezifischen Kontexten, für die diese Werke geschaffen wurden, oder mit den verwendeten künstlerischen Ausdrucksmitteln und Techniken. Nicht selten erscheinen die Kunstwerke folgerichtig seltsam unnahbar und schwer verständlich.
Angesichts dieser Situation haben das Bode-Museum (Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst) und die Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit dem am King's College London beheimateten Projekt „The Visual Commentary on Scripture“ begonnen. Gemeinsam wurden innovative Wege zur Erschließung der reichhaltigen Sammlungen christlicher Kunst in Berlin eingeschlagen, bei denen kunsthistorische und theologische Perspektiven kombiniert sowie der Austausch mit islamischen und jüdischen Glaubenstraditionen gesucht wurden. Die ersten Ergebnisse dieser fortlaufenden Kooperation liegen nun in Form von zwei Kurzfilm-Reihen vor, die sich der Herausforderung stellen, diese Sammlungen für das heutige Publikum (wieder) zugänglich zu machen.
Eine Serie von 25 Filmen steht unter dem Oberthema „Schlüssel zur christlichen Kunst“. Diese Reihe bietet zwei Rundgänge durch die ständigen Sammlungen von Bode-Museum und Gemäldegalerie, in denen das Leben der beiden zentralen Persönlichkeiten des christlichen Glaubens dargestellt wird: Jesus Christus und seine Mutter Maria. Informationen zu diesen Rundgängen können sowohl in den Sammlungen als auch online abgerufen werden.
Museumsbesucher*innen können die im Rundgang enthaltenen Exponate anhand spezieller Schilder mit QR-Codes erkennen. Letztere bieten Zugang zu kurzen Videos mit Erläuterungen zu den Objekten durch die Experten Prof. Dr. Ben Quash (christlicher Theologe) und Dr. Jennifer Sliwka (Kunsthistorikerin), beide vom King's College London. In den Filmen werden die wichtigsten Ereignisse aus dem Leben der jeweiligen Persönlichkeit nachgezeichnet und es wird erörtert, wie diese im Laufe der Zeit von Künstler*innen aus verschiedenen Traditionen dargestellt wurden. Die Filmbeiträge erläutern zentrale kunsthistorische und religiöse Begriffe und weisen auf wichtige theologische Debatten sowie kritische soziale, wirtschaftliche oder politische Ereignisse hin, die für die bildliche Umsetzung dieser Heiligengeschichten eine Rolle gespielt haben.
Eine zweite Reihe hat den Obertitel „Interreligiöse Gespräche“. In bislang zwei Filmen dient jeweils ein konkretes Kunstwerk aus dem Bode-Museum als Ausgangspunkt für einen Austausch zwischen Vertreter*innen der drei großen abrahamitischen Religionen (Judentum, Christentum und Islam). Prof. Dr. Ben Quash, Prof. Dr. Mira Sievers (Berliner Institut für Islamische Theologie an der Humboldt-Universität zu Berlin) und Rabbinerin Gesa Shira Ederberg (Jüdische Gemeinde zu Berlin) unterhalten sich darin über die unterschiedlichen Perspektiven ihrer jeweiligen religiösen Traditionen auf die Figuren Abraham und Eva. Die Videos werden ebenfalls über QR-Codes vor Ort sowie online für ein weltweites Publikum zugänglich gemacht.
Die auf Englisch geführten Gespräche wurden im Sinne einer möglichst breiten Zugänglichkeit mit deutschen und türkischen Untertiteln versehen.
„The Visual Commentary on Scripture“ ist ein frei zugängliches Online-Projekt, das theologische Kommentare zur Bibel im Dialog mit Kunstwerken präsentiert. Es ermöglicht Benutzer*innen eine (Wieder-)Entdeckung der Bibel durch eine instruktive Interaktion von Kunstwerken, biblischen Texten und eigens angefertigten Kommentaren:
Anlässlich des Projektstarts veranstaltet das Bode-Museum am Donnerstag, 20. April 2023, ab 18 Uhr eine Podiumsdiskussion, in der Kunsthistoriker*innen und Theolog*innen neue Perspektiven auf historische Kunstsammlungen erschließen. Im Rahmen der Veranstaltung können erstmals die aus der Kooperation hervorgegangenen, neuen thematischen Rundgänge erkundet werden.
Teilnehmer*innen:
Rabbinerin Gesa Shira EderbergGemeinderabbinerin der Jüdischen Gemeinde zu Berlin
Prof. Dr. Mira SieversJuniorprofessorin für Islamische Theologie, Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Ben QuashDirektor des „Centre for Arts and the Sacred“ am King’s College London
Dr. Jennifer SliwkaLecturer in „Christianity & the Arts” am King's College London