Sie schuf minimalistische Choreografien, festgehalten in einer komplexen grafischen Bewegungsnotation und farbintensive Wandteppiche. Zu ihrem 100. Geburtstag widmet das Georg Kolbe Museum ihrem vielseitigen Werk eine umfassende Ausstellung.
Für Noa Eshkol (1924–2007) war der Tanz eine für sich stehende Kunstform. Er sollte ohne Bühnenbild, Kostüme oder Musik auskommen – die absolute Konzentration auf das Wesentliche war ihr Ziel. Mit einem tiefen Verständnis für Körper und Räumlichkeit entwickelte sie choreografische Werke, in denen Körperteile wie separate Instrumente behandelt wurden. Ihre Choreografien kodierte sie mit einem einzigartigen Notationssystem, das die umfassende Analyse und schriftliche Aufzeichnung von Bewegung des menschlichen Körpers, aber auch von Tier- oder Maschinenbewegungen möglich macht und das sie in den 1950er Jahren gemeinsam mit dem Architekten Abraham Wachmann entwickelte: die Eshkol-Wachmann Bewegungsnotation (EWMN).
Eshkol-Wachman-Bewegungsnotation
„Die Eshkol-Wachman-Bewegungsnotation ist ein Denkwerkzeug, das Menschen die Kunst des Beobachtens lehren kann, d.h. sie dazu ermutigen kann, nach der höchsten Ebene des Sehens zu streben. Dazu organisiert sie das ‚Material‘, das als Bewegungen des menschlichen Körpers bekannt ist, in relativ einfachen Kategorien und ermöglicht uns so eine Ein-Sicht in die Komplexität dieses Phänomens als Ganzes.“ – Noa Eshkol
Großformatige und farbintensive Wandteppiche
Den Gegenpol zu den minimalistischen Choreografien und grafischen Tanznotationen von Noa Eshkol bilden großformatige und farbintensive Wandteppiche. Ab 1973 und mit Ausbruch des Jom-Kippur-Krieges begann Eshkol diese abstrakten textilen Kompositionen aus gesammelten und gespendeten Stoffresten zu kreieren.
Die Noa Eshkol Foundation for Movement Notation in Cholon und das Ensemble der Chamber Dance Group bewahren ihr einzigartiges Erbe, welches in Deutschland noch zu wenig bekannt ist. Im Jahr 2024 wäre Noa Eshkol 100 Jahre geworden. Das Georg Kolbe Museum präsentiert aus diesem Anlass eine Ausstellung, die das Leben und Werk dieser wegweisenden Choreografin und Tänzerin zeigt und damit die für das Museum so wichtigen Themen, wie den modernen Tanz und die Architektur der Moderne, neu erlebbar macht. Im Fokus stehen Eshkols Bewegungsforschungen seit den 1950er Jahren, Choreografien, Sprachstudien, Tänze, Textilkunst und das von ihr entwickelte Notationssystem für menschliche und tierische Bewegungen. Einen Einblick zum Thema Tanz in der Weimarer Republik, Anknüpfungspunkte und Brüche gibt eine ergänzende Sammlungspräsentation des Museums.
Eshkols Arbeiten inspirierten zahlreiche zeitgenössische Künstler*innen. Die multimedialen Werke Sharon Lockharts (*1964, Norwood, Massachusetts, USA), Omer Kriegers (*1975, Tel Aviv, Israel) und Yael Bartanas (*1970, Kfar Yehezkel, Israel) stehen den Arbeiten Eshkols gegenüber. Eine neu entstehende Auftragsarbeit der zeitgenössischen Künstlerin Ayumi Paul (*1980, Giessen, Deutschland) erweitert die Ausstellung. Eine eintägige Online-Konferenz erkundet Möglichkeiten des digitalen Raums für monografische Künstler*innennachlässe und ihrer Vermittlung. Darüber hinaus wird die norwegische Choreografin und Tänzerin Janne-Camilla Lyster ihr Solostück Time and Solitude, das von den Choreografien Eshkols inspiriert ist, im Rahmen der Ausstellung performen.
Eine gemeinsam mit den KW Institute for Contemporary Art produzierte Neupublikation der ersten Eshkol-Wachmann Bewegungsnotation schlägt die Brücke zwischen der im Sommer 2023 gezeigten Performance Pause: The Noa Eshkol Chamber Dance Group in den KW und der Ausstellung im Georg Kolbe Museum 2024. Das Buch wird im März 2024 im Georg Kolbe Museum vorgestellt.
Im Rahmen der Ausstellung findet am 15.04.2024 ein digitaler Workshop zum Thema Activating a Collection. Artists’ Estates in the Digital Space statt.
Laufzeit: Fr, 15.03.2024 bis So, 25.08.2024