Die sommerliche Hitze hält sich in Japan tagsüber oft noch bis weit in den Herbst. Aber mit kühleren Nächten und der Färbung des Laubs deutet sich bereits der Jahresabschluss an. So mischt sich in die Farbenpracht der herbstlichen Natur auch ein Gefühl der Endlichkeit aller Dinge, das deren Schönheit eine bitter-süße Note verleiht. Diese Präsentation von Kunstwerken aus der Museumssammlung spürt diesen widerstrebenden Aspekten und ambivalenten ästhetischen Empfindungen in Kunst aus Japan nach.
Bilder herbstlicher Blumen und Gräser, von Kastanien und dem Vollmond illustrieren die saisonalen Schönheiten der Natur. In den jahreszeitlichen Motiven im Lackdekor einer Reisweinschale, eines Tellers und auf Kästen für Speisen und zur Mitnahme von Utensilien für die Zubereitung von Tee, klingen die Freuden von Ausflügen, Picknicks und Mondbetrachtungen an. Darstellungen von Schauspielern des Nō-Theaters in populären Rollen auf Farbholzschnitten verweisen auf kulturelle Höhepunkte der Saison. Das Gedenken an verstorbene Vorfahren und der Besuch ihrer Gräber, die in Japan in der Regel im Spätsommer erfolgen, hallen hingegen in Bildern buddhistischer Wesen und kriegerischer Handlungen nach.
Im Galeriebereich, der üblicherweise der Präsentation großformatiger Stellschirmbilder dient, erinnern ein Memento-Mori aus Beton und auf den ersten Blick schöne Landschaftsfotografien des 1977 in Hiroshima geborenen, in Berlin lebenden und arbeitenden Künstlers Reijiro Wada an historische Tragödien. Eine Meeresansicht der aus der Präfektur Mie stammenden Künstlerin Leiko Ikemura erweist sich auf den zweiten Blick als Szene einer Seeschlacht und auf den Fotografien des 1971 in Tokyo geborenen Muga Miyahara erscheinen Bombe und Kampfflugzeuge gar in einer sonst der Betrachtung von Kunst vorbehaltenen Tokonoma-Bildnische.
Einfach nur schön mögen die Malereien im neo-traditionellen Stil der vornehmlich national-japanische Motive darstellenden Nihonga (wörtlich: Japan-Bilder) von in Japan hochberühmten Malern wie Yokoyama Taikan oder Kaburagi Kiyokata wirken. Sie wurden in Berlin zuerst 1931 in einer Ausstellung „Japanischer Malerei der Gegenwart“ präsentiert und anschließend geschenkt. Im selben Jahr provozierte japanisches Militär einen Zwischenfall in der Mandschurei, der den Auftakt für Spannungen auf dem Festland markierte, die schließlich im Pazifischen Krieg als Teil des Zweiten Weltkriegs mündeten. Diese Gleichzeitigkeit ist ein Ausgangspunkt für die in einer benachbarten Galerie gezeigte Ausstellung „Mio Okido. Erinnerte Bilder, imaginierte Geschichte(n) – Japan, Ostasien und ich“, die vom 14. September bis 3. Februar 2025 präsentiert wird. So bleiben Freud und Leid über den Herbst hinaus aktuell.
„Freud und Leid im Herbst“ ist eine Wechselpräsentation des Museums für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin im Humboldt Forum, Raum 318, „Kunst aus Japan“.
Laufzeit: Mi, 11.09.2024 bis Mo, 09.12.2024