Gespräch mit Sabine Zwirchmair und Eckhard Hasler

Eckhard Hasler und Sabine Zwirchmair

Liebe Frau Zwirchmair, lieber Herr Hasler, könnten Sie sich kurz vorstellen?

Sabine Zwirchmair: Mein Name ist Sabine Zwirchmair, ich bin Stadtplanerin, Mediatorin und Geschäftsführerin bei nonconform (Büro für Planung und partizipative Raumentwicklung). Ich beschäftige mich nicht nur mit Stadt- und Kommunalentwicklung, sondern auch mit der Beteiligung der Menschen darin und bin dabei als Moderatorin und Prozessgestalterin tätig. Unser Büro nonconform gibt es in Wien und Berlin.
Eckhard Hasler: Mein Name ist Eckhard Hasler. Ich bin ebenfalls Stadtplaner und Mediator und habe ein eigenes Büro, BSQB − Büro für Stadt, Quartier und Beteiligung. Das Büro funktioniert als Netzwerkknoten: Ich bin Freiberufler und bearbeite die jeweiligen Aufgaben mit ganz unterschiedlichen Partner*innen aus meinem Netzwerk. Mit nonconform verbindet mich schon länger eine kollegiale Beziehung und ein reger Austausch über menschengerechte Stadtentwicklung.
Sabine Zwirchmair: Und eine sehr ähnliche Haltung, was unsere Partnerschaft erleichtert.

Welchen Schwerpunkt haben die Büros nonconform und BSQB? Welche Philosophie verfolgen Sie in Ihren Büros?

Eckhard Hasler: Mein Ziel als Stadtplaner ist eine zukunftsfähige Stadtentwicklung durch menschengerechte Prozesse. Unsere Haltung ist, dass wir die Leute als Expert*innen vor Ort anerkennen und wertschätzen. Die meisten haben viel mehr praktisches Wissen über ihre Umgebung als wir Fachleute uns aneignen können. Daraus resultiert eine Klugheit vor allem im Hinblick auf die Alltagstauglichkeit von Lösungsansätzen, häufig haben die Bewohner oder Nachbarn aber auch Erfahrungen, was in ihrem privaten oder beruflichen Umfeld funktioniert hat und was nicht. Oft sind solche auf den ersten Blick „fachfremden“ Anregungen genau das, was wir brauchen, um Denkgrenzen zu überwinden und dadurch gute Lösungen zu finden.

Was heißt das konkret, wenn Sie sagen, der Mensch soll im Mittelpunkt der Planung stehen?

Eckhard Hasler: Das heißt, sich die Frage zu stellen: Was brauchen die Menschen, um Beteiligungs- und Planungsprozesse ernst zu nehmen und sich darin einzubringen? Die Menschen sind ja nicht doof – Sie merken, ob man sie ernst nimmt, oder ob es sich nur um eine Show-Beteiligung handelt. Und wenn sie sich ernstgenommen fühlen, bringen sie sich völlig anders ein.
Sabine Zwirchmair: Die Erfahrung zeigt, dass ein positiver Effekt dieser Herangehensweise in der Planung nicht nur ist, dass sich die Menschen ernst- und mitgenommen fühlen, sondern dass man es tatsächlich in der Umsetzung und in der späteren Nutzung des Orts spürt. Wenn die Menschen bei der Planung dabei waren, einen Bezug dazu haben, und sich dabei eingebracht haben, dann leben sie diese Orte auch. Daraus werden dann langfristig zukunftsfähige und lebendige Quartiere.
Als Planerin kann man sich natürlich, immer vornehmen solche Quartiere zu schaffen, aber wenn die Menschen ernsthaft beteiligt sind, dann gelingt das auch.

Was ist für Sie das Besondere am Modellprojekt Dragonerareal / Sanierungsgebiet Rathausblock?

Sabine Zwirchmair: Besonders ist zuerst einmal die Tatsache, dass es ein Modellprojekt geworden ist. In der Stadtentwicklung ist es nicht selbstverständlich, dass aus der Zivilgesellschaft heraus das Mitgestalten so stark eingefordert wird und dann tatsächlich in neu gedachten Strukturen ein Verfahren durchgeführt wird. Das fasziniert uns auf jeden Fall, ebenso wie die spannende – und zum Teil spannungsgeladene – Akteurskonstellation.
Eckhard Hasler: Hier wird ernsthaft versucht, einen funktionierenden Nutzungsmix aus Wohnen, Gewerbe, Kultur, sozialer Infrastruktur und weiteren Nutzungen – auch im Freiraum – hinzubekommen. Die Kreuzberger Mischung ist ja durchaus in der Umgebung heute immer noch geläufig, aber so nutzungsintegriert wird heute üblicherweise nicht mehr geplant. Wir werden es mit einer massiven Verdichtung zu tun haben – wie überall in Berlin. Eine gute Integration der Nutzungen und ein qualitätsvolle Dichte in solch einem baukulturell wertvollen Bestandsquartier zu verbinden, ist wirklich sehr außergewöhnlich und herausfordernd. Und der Ansatz der Gemeinwohlorientierung macht das Projekt noch einmal doppelt so spannend.

Sie sind mit den Bau- und Nutzungsanforderungen beauftragt worden: Was ist das Ziel dieses Bausteins des Prozesses?

Eckhard Hasler: Im bisherigen Prozess ist unglaublich viel Wissen, sind aber auch viele und hoch gesteckte Anforderungen zusammengekommen. Einer der wesentlichen Punkte, den wir versuchen in dieser Phase des Prozesses zu gewährleisten, ist das Wissen und die Erwartungen aus den unterschiedlichen, intensiv arbeitenden Arbeitsgruppen und Gremien zu bündeln und zu verdichten. Das heißt nicht, dass wir vereinfachen möchten, sondern wir wollen diese Anforderungen diskutierbar machen. Das beinhaltet auch eine Übersetzungsleistung, vor allem für diejenigen, die bisher noch nicht dabei waren.
Sabine Zwirchmair: Das Ziel der Werkstätten ist es, ein zusammenfassendes Bild zu erzeugen, was an Bau- und Nutzungsanforderungen erarbeitet worden ist. Dieses Bild wird dann denjenigen Bearbeitungsteams mitgegeben, die in der nächsten Phase, im städtebaulichen Werkstattverfahren, einbezogen sein werden. Die bisherigen Anforderungen müssen klar herausgearbeitet werden und so umrissen werden, dass die Architekt*innen, Planer*innen und Fachleute im städtebaulichen Werkstattverfahren das Gefühl haben, sie waren selbst bei der Werkstatt dabei. Wir stellen sicher, dass von diesem Wissen nichts verloren geht.

Und worum geht es bei den BNA-Werkstätten genau?

Sabine Zwirchmair: In den Werkstätten sollen die bisherigen Anforderungen gebündelt, verdichtet und sortiert und ggf. um Themen ergänzt werden, die bisher noch nicht zur Sprache kamen oder immer wieder zeitlich nach hinten geschoben worden sind. Das Thema Ökologie wäre so ein Thema.
Eckhard Hasler: Es geht in den Werkstätten um ein zielgerichtetes Diskutieren, weniger um ein erneutes Sammeln. Wir möchten eher überlegen, wie mögliche Nutzungskonflikte, die aus den zahlreichen Anforderungen entstehen, gelöst werden können.
Wir fänden es schön, wenn nicht nur die „Bürger“ – Gewerbetreibende, die Anwohner*innen – sondern auch z.B. Menschen, die in der Verwaltung arbeiten, bei den Werkstätten vorbeischauen und mitdiskutieren. Deshalb sind die Werkstätten auch jeweils als zweitägige Veranstaltungen gedacht, damit es jeweils unterschiedliche Möglichkeiten gibt, Leute zu erreichen.

Wie soll das konkret aussehen? Was erwartet uns bei den Werkstätten?

Sabine Zwirchmair: Wir werden in diesen zwei Tagen vielfältige Angebote des Mitredens, Mitmachens bieten. Das fängt bei Spaziergängen über das Areal an, geht über Kleingruppenarbeit, Einzelgespräche oder bis hin zu Diskussionen in großer Runde.
Außerdem möchten wir, dass sich die Leute schon vor und auch zwischen den Werkstätten mit dem Thema beschäftigen können. Wir bieten daher an, sich schon vorab online und analog, auf dem Papierweg, zu beteiligen.
Eckhard Hasler: Egal ob sie tagsüber oder abends arbeiten, den ganzen Tag oder nur zu einer bestimmten Zeit dabei sein können, sie können sich zu jeder Zeit an diesen beiden Werkstatttagen einbringen.
Der Abend wird aber eine ganz besondere Bedeutung haben: Am ersten Abend gibt es ein ziemlich dichtes Programm mit vielen Möglichkeiten und am zweiten Abend nehmen wir, also unser Team, uns noch einmal ein bisschen Zeit, alles aufzubereiten und zu verarbeiten und dann bei der Abendveranstaltung noch einmal das Ergebnis der jeweiligen Werkstatt vorzustellen. Wir geben einen Ausblick, was mit diesem Ergebnis passiert.

Wann geht es denn los?

Sabine Zwirchmair: Ab sofort! Die digitale-analoge Beteiligung, von der wir vorhin gesprochen haben, hat bereits gestartet. Die erste Werkstatt findet am 11. und 12. April statt.

Frau Zwirchmair, Herr Hasler, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Laura Höss.