Einheits-Jubiläum zwischen Natur und Geschichte

Blick auf das Grenzmuseum

von Ursula A. Kolbe

3. Oktober – Tag der Deutschen Einheit. Die zentralen Feierlichkeiten dazu finden in diesem 25. Jubiläumsjahr in Frankfurt am Main statt, wird sicher mit einem Blick zurück auf das Heute und Morgen gerichtet werden. Denn seit nunmehr einem Vierteljahrhundert wird ein schicksalhaftes Kapitel innerdeutscher Geschichte neu geschrieben.

Und Fakt ist auch: Wo einst Beton und Stacheldraht über Jahrzehnte das Schicksal vieler Bewohner beiderseits der Grenze bestimmte, hat sich heute die Natur vielerorts ihren Raum zurück erobert, manche Narbe verblassen lassen. Orte der Erinnerung entstanden, neue touristische Perlen laden ihre Besucher ein, dem Gestern nachzuspüren, das Heute zu entdecken.

So die einst unüberwindlich scheinende Grenze zwischen den Ländern Thüringen und Hessen, die längst zu einem Naturparadies geworden ist. Der gemeinsame Auftritt beider Bundesländer auf der diesjährigen Internationalen Tourismusbörse im Frühjahr in Berlin widerspiegelte eindrucksvoll die hier seit vielen Jahren gelebte Praxis enger Zusammenarbeit.

Mit Blick auf dieses Einheits-Jubiläum waren wir zwischen Natur und Geschichte im nordhessischen Werratal, thüringischen Eichsfeld sowie in der Welterberegion Wartburg-Hainich, ebenfalls Thüringen, unterwegs – und dabei unterwegs zu den einzelnen Orten sozusagen auch immer wieder „Grenzgänger“.

Der „Zwei – Burgen – Blick“

Auf dem Weg ins Grenzmuseum Schifflersgrund legten wir zuerst einen kurzen Halt am historischen Bahnhof Eichenberg in Nordhessen ein. Der einstige Umsteigeknoten ist heute wieder ein wichtiger Umsteigebahnhof für die Pendler der Region. An diesem Ort wurde das Projekt „Kunst an der Grenze“ im Werra-Meißner-Kreis verwirklicht, symbolisieren „Grenzerfahrungen“ wie das Werk des Hamburger Künstlers Norbert Jäger „Gespalten – Stand gehalten“ gelebte Geschichte; eines von sieben Jubiläums – Kunstwerken.

Sinnbildlich verkörpern den ehemaligen Grenzverlauf auch zwei Burgen am beliebten Aussichtspunkt „Zwei – Burgen – Blick“: Die Burgruine Hanstein im Eichsfeld und die Jugendburg Ludwigstein in Hordhessen, zwei verschiedene Welten symbolisierend.

Die Burg Ludwigstein wird auch heute rege genutzt, zieht besonders Schulklassen, Musik-, Tanz- und Theatergruppen an. Hier finden Tagungen, Seminare und Feiern statt. Die Burgruine Hanstein liegt imposant auf einer felsigen Bergkuppe, die das Werratal auffällig überragt. Der Blick von der Aussichtsplattform, aber vor allem vom Burgturm reicht weit ins Eichsfeld sowie ins benachbarte hessische Bergland.

Sagenumwobene Wanderungen bieten sich auf dem Kammweg von der Burg aus zur Teufelskanzel an. Dieser Sandsteinfelsen liegt liegt rund 2,5 km entfernt und gibt einen weiten Blick auf die Werraschleife bei Lindewerra frei.

Das Grenzmuseum Schifflersgrund

Das „dienstälteste“ innerdeutsche Grenzmuseum Schifflersgrund informiert seit 1991 über die Geschichte der Teilung und friedlichen Wiedervereinigung. Dieser Gedenkort zwischen dem thüringischen Dörfchen Asbach-Sickenberg und Bad-Sooden-Allendorf im nordhessischen Werratal liegt exakt auf der einstigen Trennlinie zwischen ehemaliger DDR und BRD.

Heute verläuft auf diesem Grenzstreifen quer durch Deutschland das „Grüne Band“. Insgesamt 1.393 km lang, verkörpert es das größte zusammenhängende Wald- und Biotop-Verbundsystem Mitteleuropas; bezeichnet auch als „Perle der Natur“ und widerspiegelt zugleich eine Kulturlandschaft mit einzigartiger Flora und Fauna.

Übrigens hat Thüringen mit 763 km den längsten Abschnitt am „Grünen Band“. Der zwischen 20 und mehreren hundert Meter breite Teil reicht mit seinen zahlreichen Wasserläufen und Gehölzstreifen weit in die angrenzende Landschaft hinein, verbindet Naturschutzgebiete und Naturparks wie den des Unstrut-Hainich und Meißner-Kaufunger Wald.

Wildkatze und Luchs, Braun- und Blaukehlchen, der Schwarzstorch und viele andere Vogel-, Tier- und Pflanzenarten haben hier ein natürliches Umfeld.
Die Entwicklung des „Grünen Bandes“ als Überwindung der früheren Spaltung Europas während des Kalten Krieges bietet Raum für bedeutende Symbolik, anders gesagt: „Vom Eisernen Vorhang zum ‚Grünen Band‘“. Hier stehen Naturschutz, Geschichtsaufarbeitung und sanfter Tourismus in einem geradezu symbiotischen Verhältnis.

Rund 50.000 Besucher im Jahr, darunter rund 3.000 Schüler, machen sich im und am Museum mit den Zeitzeugen dieser Teilungs-Geschichte vertraut, vollziehen den Ausbau der innerdeutschen Grenze von der Demarkationslinie zur Zonengrenze nach. Ob der 3,20 m hohe Streckmetallzaun, Plattenwege und Relikte der Überwachungstechnik, die noch im Original erhalten sind, oder auf dem Freigelände die Militärtechnik aus Ost und West wie Hubschrauber, Jeeps, Panzer, Motorräder sind beredtes Spiegelbild.

Vermittelt werden außerdem viele geschichtliche Hintergründe. So die Frage „Warum kam es zur Teilung“, „Was war unter Kaltem Krieg zu verstehen?“, „Wie wurde die Wiedervereinigung möglich?“
Trägerverein der Gedenkstätte ist der Arbeitskreis Grenzinformation e. V. Dank seiner Mitglieder aus Ost und West, die engagiert ehrenamtlich tätig sind und einen Großteil ihrer Freizeit dem weiteren Auf- und Ausbau des Museums sowie der Besucherbetreuung widmen, widerspiegelt sich hier die neueste deutsche Geschichte seit 1990.

Wichtig dabei, verweist Stefan Heuckeroth-Hartmann auch darauf, ist, neben all den Fakten und Tatsachen die Menschen, vor allem die jungen, emotional zu erreichen.
Unvergessen die Zeit, als sich die Freiwilligen daran machten, die Relikte des Kalten Krieges zu beseitigen. Wachtürme wurden geschleift, Zaunfelder abgeschraubt, die Sperrgräben mit Erde aufgefüllt, Minenfelder geräumt. Groß waren die Wunden, aber nicht unüberwindbar. Groß der Gedanke, aufräumen zu können.

Unbestritten lebt diese Begegnungsstätte von den Lebenserfahrungen und der Sicht seiner Bürger aus deren jeweiliger Lebensperspektive. Und die Natur, ohne die der Mensch nicht leben kann, konnte wieder feste Wurzeln schlagen. Was sie schon in den Jahren bisher, auch mit behutsamer Unterstützung, beeindruckend getan hat.

Die Hiesigen, die die B 27, die Straße zwischen Eschwege und Göttingen, befahren, sehen das am besten. Und selbst die größten Narben verblassen.
www.grenzmuseum.de

Bio-Hof Sickenberg mit Gartenidylle

Um noch einmal den Bogen zur im wahrsten Sinne des Wortes aufblühenden Natur zu schlagen: Besitzerin Kristina Bauer machte aus dem alten Bauern-Hof Sickenberg in ehemaliger Grenznähe einen biologisch ausgerichteten und modern ausgestatteten , denkmalgeschützten Betrieb an der einstigen hessisch-thüringischen Landesgrenze nordöstlich von Bad Sooden-Allendorf. Die studierte Agrar-Ingenieurin hat es geschafft, ihren Gästen im wahrsten Sinne des Wortes Lust auf’s Land zu machen.

Mit Kulinarik und Workshops, mit Café und Pension. Im Garten geniesst man Ruhe und unberührte Natur, lässt sich den frisch gebackenen Kuchen schmecken, kann bei den verschiedensten Angeboten selbst seine eigenen Fähigkeiten entdecken und ausprobieren. Und das ab Ende März bis in den 20. Dezember hinein.
Die Angebotspalette scheint schier unerschöpflich. Das Motto der Chefin: Genießen Sie das Leben inmitten der Tradition – lassen Sie die Seele baumeln und leben Sie in den Tag hinein.

Nicht zu vergessen die lockenden Wanderwege der Region, wie z. B. auf dem direkt an den Hof angrenzenden Premiumwanderweg „Thüringische Schweiz Asbach-Sickenberg“. www.hof-sickenberg.de
(Lesen Sie in einem weiteren Beitrag Gedanken und Eindrücke im Weltnaturerbe Hainich.)