Auf den Spuren Theodor Fontanes in NEURUPPIN
Bild: Waltraud Käß
von Waltraud Käß
Fontane und seine Mark Brandenburg – ich wollte endlich wissen: Wo begann das Leben dieses begnadeten Dichters des 19. Jahrhunderts? Logisch, dass man mit der Suche in seiner Geburtsstadt beginnen sollte und das ist Neuruppin.
„Ich bin die Mark durchzogen und habe sie reicher gefunden, als ich zu hoffen gewagt hatte“ schreibt er. Und reich an Naturschönheiten und Sehenswürdigkeiten ist seine Geburtsstadt. Der materielle Reichtum dürfte sich damals in Grenzen gehalten haben.
Zu seiner Begegnung mit dem unweit Neuruppins liegenden Städtchen Fehrbellin schreibt er: „Die Einfahrt in die Stadt ist reizend, besonders der Blick von der Rhinbrücke aus…“. Ich kam vom Bahnhof in die Stadt Neuruppin und sah etwas nüchterner die breite Straße entlang, die in die Stadt führte.
Neuruppin empfing mich an einem Sonnentag. Der Regio, der mich von Hennigsdorf in einer halben Stunde hier her gebracht hatte, war vollgestopft mit Menschen und Fahrrädern, die sich an der Station Rheinsberger Tor wie ein Schwall Wasser auf den Bahnsteig ergossen. Doch schnell löste sich der quirlige Haufen in alle Richtungen auf und es ergab sich die Möglichkeit einer Orientierung, denn schließlich war ich hier fremd.
Gleich am Bahnhof findet sich die Tourist-Information mit Bildmaterial, und eine große Ortstafel, an der man sich seinen „Stadtspaziergang“ zusammenstellen kann. Ich entschloss mich, einfach geradeaus zu laufen und mich von den Sehenswürdigkeiten überraschen zu lassen. Vorbei am Amtsgericht sah ich linkerseits ein monumentales Gebäude. War es ein Schloss? War es eine Kirche? Ich stand vor der Pfarrkirche Sankt Marien, die zwischen 1801 und 1806 erbaut wurde.
Heute ist sie eine „Kulturkirche“, nämlich das Veranstaltungs- und Kongresszentrum von Neuruppin. Nur wenige Meter weiter war ich in der Mitte der Stadt angekommen, auf dem Schulplatz mit dem „Alten Gymnasium“. Auch dieses ein altes Gebäude – bereits 1790 als Bildungsstätte erbaut, heute genutzt als kulturelles Zentrum der Stadt. In ihm ist die Stadtbibliothek, die Kreismusikschule, die Jugendkunstschule sowie die Medizinische Hochschule Brandenburg mit den Fachrichtungen Medizin und Psychologie untergebracht.
Sehr bekannte Menschen waren Schüler dieses Gymnasiums, u.a. der Maler Wilhelm Gentz, die ebenfalls in Neuruppin geborene Lyrikerin Eva Strittmatter, der Dichter Theodor Fontane und der Baumeister Karl Friedrich Schinkel, auch er gebürtig aus dieser Stadt. Das Licht der Welt erblickte er im Jahre 1781 und sein Denkmal fand ich hinter der Pfarrkirche.
Ich entschloss mich, nicht mehr querfeldein zu laufen, sondern dem Pfad mit den Sehenswürdigkeiten zu folgen, die der kleine Stadtführer mir vorgab. Also begab ich mich zum Start an den Hafen am Ruppiner See, der glitzernd in der Sonne lag. Hat der kleine Theodor hier seine ersten Schwimmversuche unternommen? Auf der hübschen Uferpromenade mit kleinen Cafe`s und Restaurants glitzerte noch etwas in der Sonne: Eine 17 m hohe Edelstahlfigur namens „Parzifal“.
Der Künstler soll mit dieser Figur an das gleichnamige Epos des mittelalterlichen Dichters Wolfram von Eschenbach angeknüpft haben. Die Figur hält in der einen Hand ein Windrad, in der anderen Hand eine Arche. Es braucht ein bisschen Zeit und der Blick muss sich schärfen, bevor der Betrachter die Figur in Gänze und en detail begreift.
Durch die Siechenstraße führte mich mein Weg quer durch die Stadt zum Denkmal von Theodor Fontane. Sehr gemütlich sitzt er hoch oben auf seiner Bank am Rande einer Grünanlage und schaut auf den fließenden Verkehr. Spazierstock, Mantel und Hut sind angelehnt. Vielleicht denkt er gerade über einen neuen Roman nach? Müsste er nicht, denn er hat der Nachwelt bereits eine Menge Literatur hinterlassen, wie z.B. „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, „Irrungen und Wirrungen“, „Stine“, „Effie Briest“, „Frau Jenny Treibel“, „Der Stechlin“ oder auch der „Schach von Wuthenow“. „Stine“ und „Effie Briest“ gehörten zur Literatur im Fach Deutsch meiner Schulzeit.
Wir waren also alte Bekannte. In seinen Romanen zeichnete er ein kritisches Bild der damaligen preußischen Gesellschaft, die besonders die Frauen einengte. Die Stadt huldigt diesem bedeutenden kritischen Realisten des 19. Jahrhunderts mit den Fontane-Festspielen. Auch die Fontane-Gesellschaft hat ihren Sitz in Neuruppin.
Für den Moment sagte ich ihm Auf Wiedersehen, denn ich würde ihn noch einmal an seinem Geburtshaus treffen. Doch zunächst suchte ich den Weg in den Tempelgarten. Den fand ich hinter den Wallanlagen. Ein wunderschön angelegter Parkgarten mit barocken Figuren, seltenen Gehölzen und einem Rundtempel empfing mich. Friedrich der Große hat ihn wohl anlegen lassen. Baumeister Knobelsdorff, der später die Staatsoper in Berlin und auch Sanssouci in Potsdam schuf, hat mit diesem Rundtempel sein Erstlingswerk vorgestellt.
Der nächste Anlaufpunkt wäre das Museum gewesen. Doch die Zeit war schon recht fortgeschritten, der Besuch dieses Museums soll einem späteren Zeitpunkt vorbehalten sein. Ich wollte doch unbedingt die Sehenswürdigkeit kennenlernen, die Neuruppin sehr bekannt gemacht hat: Der Neuruppiner Bilderbogen. Die Bilderbogenpassage befindet sich gegenüber dem Museum in der ehemaligen Druckerei von Gustav Kühn.
Beinahe jeder deutsche Haushalt besaß damals diese preiswerten Drucke, die oftmals derb-humoristisch die damaligen Lebensumstände karikierten. Doch es gibt auch religiöse und andere Motive des Zeitgeschehens zu bestaunen.
Der Endpunkt meines Stadtspaziergangs war das Geburtshaus von Theodor Fontane in der Fußgängerzone. Auch in der Gegenwart befindet sich in diesem Haus die Löwen-Apotheke.
Theodor Fontane wurde hier am 30. Dezember 1819 geboren. Seine Eltern waren übrigens Einwanderer, Hugenotten aus Frankreich. Im Erdgeschoss führte der Vater als Apotheker das Geschäft, die Wohnung der Familie Fontane befand sich in den Räumen darüber. Auch Theodor Fontane hat eine Ausbildung als Apotheker durchlaufen. Er arbeitete u.a. in Magdeburg, Leipzig und Dresden.
Offensichtlich hat ihn die „Schreiberei“ mehr gereizt, denn er versucht sich später als Journalist, u.a. auch vier Jahre in London, bei der „Vossischen Zeitung“ und der „Kreuz-Zeitung“ in Berlin. Die Zeit in London beschreibt er in einigen Reiseberichten. Darauf folgte dann seine bemerkenswerte Zeit als freier Schriftsteller.
Er wurde Familienvater, seine Frau gebar ihm acht Kinder, aber noch nicht einmal die Hälfte wurde erwachsen. Theodor Fontane starb 78 Jahre nach seiner Geburt. Seine Grabstätte befindet sich auf dem Friedhof II der Französisch-Reformierten Gemeinde in Berlin.
Ich erwies ihm meinen Abschiedsgruß und murmelte dabei vor mich hin „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, ein Birnbaum in seinem Garten stand…“
Wer kennt es nicht, sein Gedicht vom Birnbaum!
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