“Wickuschka, wer will das denn heute hören, was wir als Kinder durchgemacht haben und was uns angetan wurde, keiner!”
»Stiefmutter Heimat. Meine Mutter, das gestohlene Kind« ist ein Theaterabend, der von Wicki Kalaitzi (Wickuschka) initiiert wurde und auf der wahren Geschichte der Lenka, ihrer Mutter, einem Opfer der Kinderverschickung im griechischen Bürgerkrieg nach Mittelosteuropa, basiert. Die Zuschauer_innen werden auf eine künstlerisch dokumentarische Zeitreise mitgenommen, rund um die Themen Vergangenheitsbewältigung, Herkunft(-en), Heimat(-en) und der Suche nach dem Zuhause. “Erinnerung-Entführung-Mutter Europa”, Lenkas Odyssee führt uns durch Albanien, Jugoslawien, Bulgarien und Rumänien in ein Breslauer Kinderheim, Leipzig und 1981 nach West-Berlin, wo sie bis heute lebt. Lenkas Tochter, Wicki, erzählt an dem Abend von Kontexten und dem Umgang mit ihren Familienerinnerungen. Die Narrative verweisen, zusammen mit dokumentarischen, tanzperformativen
theatralen und musikalischen Elementen auf die aktuelle und zeitlose Situation Schutzsuchender in Europa. Die Stückentwicklung thematisiert somit einen generationsübergreifenden Prozess zu Fragen der Vergangenheitsbewältigung unserer Töchter, Mütter, Großmütter, Urgroßmütter und schließlich auch der Einen: Mutter Europa. Das Stück spielt in der Gegenwart und setzt die Geschichte in einen direkten Bezug zum gegenwärtigen Diskurs zu Heimat und Entfremdung.
Wir leben in einer Zeit, in der die Vergangenheitsbewältigung und das (un)bewusste “Nomadentum” zur alltäglichen Realität geworden ist. Dies verbinden wir oft mit Angstgefühlen, Obdachlosigkeit und negativen Emotionen. Das Erzählen von persönlichen und intimen Geschichten, der Austausch, ermöglichen uns, uns für weitere Geschichten zu öffnen und zurückzukehren zum Thema Opfer, sowohl polnischer, deutscher als auch griechischer Zeitzeugen und ihrer Erfahrungen. Das Erzählen erlaubt uns, Fragen zu stellen: Was bedeutet Sehnsucht nach einer Heimat, einem Zuhause, einem Zugehörigkeitsgefühl heute, ganz egal wo wir leben? Und wie übersetzt sich diese eine persönliche Zeugen-Perspektive in eine universelle Perspektive und einen zeitlosen, interkulturellen Dialog? Es scheint uns sehr wichtig, diese Fragen zu
stellen.
Die Stückentwicklung wird Teil des Projekts »Stepmother Motherland« von Joanna Lewicka, das sich in Polen dem Thema Herkunft, Entwurzelung und mangelnder Zugehörigkeit widmet.