Inselgebäude und Hafenkastanie
Bild: Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin
Als der Fotograf dieses städtebauliche Ensemble ablichtete, war der Abriss der hölzernen Brücke und der Gebäude bereits beschlossen. Heute markiert nur noch die Kastanie den Ort, der eine bebaute Insel war.
Die Insel
Im 17. Jahrhundert erhielten die Städte Alt-Berlin und Alt-Cölln eine gemeinsame barocke Festung. Mit dem Fluten der Festungsgräben war der Spreewasserstand so weit gesunken, dass eine Sandinsel in der Spree zu Tage trat. Diese wurde zunächst als Bleiche genutzt (Wäsche wird hier zum Aufhellen in die Sonne gelegt), bevor der Große Kurfürst die Insel mit Pfahlwerken umgeben und ein Zucht- und Spinnhaus darauf errichten ließ (das Spinnen von Garn war damals eine von „unzüchtigen“ Frauen verrichtete Zwangsarbeit). Später wurde die Insel über eine Brücke mit der Spreeinsel verbunden und verkauft.
Die Wegely’sche Wollmanufaktur
Anstelle des Spinnhauses gründete der Schweizer Johann Georg Wegely 1723 die erste Wollzeugmanufaktur der Stadt und ließ sich im Wegely’schen Haus auf auf dem „Festland“ nieder. Das Gelände zwischen Wegely’s Wohnhaus und seiner Wollzeugfabrik wurde schließlich aufgeschüttet und mit einem zweiten Fabrikgebäude bebaut. Die Wollzeugfabrik war sehr erfolgreich und Johann Georg Wegelys Söhne und Enkel führten das Geschäft bis in das Jahr 1790 fort.
Der Inselspeicher und die Kastanien als Schattenspender
Um 1800 ging die Liegenschaft an die General-Tabacks-Administration, die hinter den ehemaligen Wegely’schen Fabrikgebäuden mit dem Bau einer Heeresbäckerei begann. Als die Berliner Insel-Actien-Gesellschaft das Grundstück mitsamt seiner Gebäude übernahm, konnte das unvollendet gebliebene Bäckereigebäude durch Friedrich Wilhelm Langerhans zum Inselspeicher umgebaut und bis 1827 fertiggestellt werden. Zwischen dem neuen Inselspeicher und den mit Speicheranbauten versehenen Fabrikgebäuden befand sich nun eine Ausladestelle mit Kran, Waageanstalt und Ladeluken. Die nach Süden ausgerichteten und damit für die Lagerung von Waren ungeeigneten Fabrikgebäude waren zu Wohnzwecken vermietet. Davor wurden schattenspendende Bäume gepflanzt und ein schmaler Grünstreifen angelegt.
Der Rosskastanienplatz an der Fischerbrücke
Mit dem Um- und Ausbau der Berliner Wasserwege waren die Tage der Inselgebäude gezählt. Sämtliche hölzernen Klappbrücken sollten durch Steinbrücken ersetzt werden. Der Neubau der sehr viel breiteren Inselbrücke in den Jahren 1910 bis 1912 hatte den Abbruch aller zuvor beschriebenen Gebäude zur Folge – oberirdisch erhalten geblieben ist nur eine einzige Kastanie. Diese sollte 1921 in eine Grünanlage auf dem alten Inselspeichergrundstück einbezogen werden. Mit dem Bau der Doppelkammerschleuse wurde jedoch die Hälfte des überplanten Grundstücks auf der Spreeseite abgetragen. Und so blieb die einzeln stehende Kastanie fast 40 Jahre und über zwei Weltkriege hinweg ein beliebtes Bildmotiv. 1948 gab sie der erstmals an diesem Ort realisierten Grünanlage Rosskastanienplatz an der Fischerbrücke ihren Namen.
Die Kastanie wird ein Naturdenkmal
Nach der Errichtung des Wohnquartiers Fischerinsel in den Jahren 1969 bis 1973 wurde auch die oben genannte Grünanlage umgestaltet, der Rosskastanienplatz verschwand in einer Böschung. Aufgrund ihrer „Eigenart und landeskundlichen Bedeutung“ gemäß §28(1) Bundesnaturschutzgesetz konnte die korallenartig und schief gewachsene Kastanie im Jahr 2021 zum Naturdenkmal erklärt werden. Sie erhielt gemäß dem Vorschlag der Berlin-Brandenburgischen Schifffahrtsgesellschaft e. V. die Bezeichnung Hafenkastanie. Im Anschluss wurde die sie umgebende Grünanlage erneut umgestaltet und im Sommer 2023 eingeweiht.
Text: Christina Kautz
Literatur, Kartenwerke, Gesetze und Verordnungen:- Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG vom 29. Juli 2009) § 28 Naturdenkmäler.
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