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Und jetzt? - Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz

Petrolchemisches Kombinat Schwedt / Mach keine Faxen im Kontrollzentrum!

P: 5 Menschen sitzen im Kontrollzentrum rum, mit ner Kaffeetasse vor blinkenden Lämpchen, und das sieht aus, als würden sie stundenlang ne Pause machen. Aber wenn sie wirklich eine machen würden und das entscheidende Lämpchen ging an, dann hätten wir den Salat. Lämpchen müssen eben beobachtet werden, da führt kein Weg und kein Auge dran vorbei. Also Kaffeetrinken ist schon mal keine Pause. Das sieht aus wie ne Pause, es ist aber das komplette Gegenteil.

F: Oder so ne andere Pause sind ja die Ostgaragen mit den uralten Pachtverträgen, die damals allen ihre Bauvorhaben versaut haben. Ein ewig langer Vertrag und da konnten die Leute nichts bauen. Das war ja auch ne Pause für die Bauunternehmer. Die konnten es nicht fassen, dass da lieber in den Garagen ne Pause gemacht wurde, als sich auszahlen zu lassen. Sich auszahlen lassen ist keine Pause, Kaffeetrinken auch nicht. Also alles, was aussieht wie Pause, ist keine. Aber da standen überall Garagen im Osten wie gedrückte Pausentasten rum. Da war vielleicht mal Pause.

P: Wir spielten hier mal n Stück, das hieß Garage. Von nem Russen. Das Stück war einfach ne Versammlung von Leuten, die so Garagen haben. Die waren auf der Bühne die ganze Zeit und haben geredet. Und das haben wir immer aufgebaut, das bestand nur aus lauter Rohren, weil es spielte in nem Heizungskeller oder so. Nur Rohre, also aus Pappe, da konntest du keine Flüssigkeit – nichts reinlaufen oder durchlaufen lassen, durch die Rohre. Die waren aus Pappe und die mussten wir immer aufbauen. Da hast du doch mitgemacht? Er saß die ganze Zeit da und musste so tun, als ob er schläft.

M: Schwedt, Juni 1968. Benno Besson, Heiner Müller, Gerhard Winterlich und die anderen Herren, die an diesem Abenteuer teilnahmen, hatten mich damit beauftragt, die ganze Geschichte im Zusammenhang mit dem Sommernachtstraum aufzuschreiben, mit allen Einzelheiten und nichts zu verschweigen als nur den Schauplatz der Ereignisse, und auch das nur weil dort noch ungehobene Schätze liegen. So ergreife ich denn im Jahre 2022 die Feder und wandere im Geist zurück zu der Zeit, als mein Vater noch Arbeiterschauspieler in Schwedt war. Wie es damals hieß. Damals war ich knapp 7, heute bin ich ein reifer Mann. Aber bis heute habe ich den Tag nicht vergessen, als…

P: Aber du hast doch schon Schwedt gesagt. Du sagtest doch, da wären noch andere Schätze zu heben und dass du die Lage der Insel verschweigen wirst. Aber du hast doch schon Schwedt gesagt!

M: Ich rede von den Situationisten, von deinem Cousin! Die ist ja so langweilig, die Arroganz der Situationisten. Die sprechen von der Tragödie der technologischen Entfremdung, (bla bla bla). Meinetwegen, na schön… Aber eine Gesellschaft, die zum Kühlschrank wurde oder zum Heizungsthermostat, das ist gewissermaßen genau unser Ding als Kybernetiker, sich selbst regulierende Systeme. Die Zwischenraumfreiheit wird auf null reduziert, sagt dein Cousin. Und das sage ich auch: Das alltägliche Leben ist eine Reihe von Situationen, die einem stark reduzierten Register angehören. Ist es möglich, dieses Register zu erweitern, neue Situationen zu finden? Die Situationisten sagen, wir müssen neue und andere Situationen kreieren, damit ein anderes revolutionäres Denken entsteht. Und ich denke, dass wir nach neuen Situationen auf der Achse der Technologie suchen müssen. Die Situationisten sind authentische Würstchen, weil sie die Chance nicht wittern. Ihr Anspruch auf die totale Kunst kommt eigentlich daher, dass ihre künstlerische Phantasie so arm ist. Ein Sommernachtstraum auf der Grundlage von Wissenschaft und Technologie im PCK Schwedt, sich selbst regulierende Systeme gegen einen überhitzten Individualismus, das wär‘ doch mal was. Das wär‘ endlich mal wirklich antikapitalistische Kunst auf der Grundlage von Kybernetik und nicht nur Zettel mit Eselsohren. Die biologisch denkbare Fabrikation von Wesen mit zweimal zwei Brüsten stellt ohne Zweifel einen möglichen Vorschlag der Biologie an die Tradition dar. Die Erfindung von 1, 2, 3, x- verschiedenen Geschlechtern neben den beiden konventionellen schlägt ein sexuelles Kombinationssystem vor, das eine schnell riesig anwachsende Zahl von Liebessituationen vorstellbar macht. Das kann man sich einfach mal von Maschinen ausrechnen lassen, und das nenne ich radikal.

Mit: Franz Beil, Milan Peschel, Martin Wuttke
Text & Regie: René Pollesch
Bühne: Anna Viebrock
Kostüme: Tabea Braun
Licht: Johannes Zotz
Ton: Klaus Dobbrick
Mitarbeit Bühne: Anna Brotankova
Dramaturgie: Leonie Hahn

Horizonte Idee und Material: andcompany&Co

Artists/Collaborators: Volksbühne Berlin

Runtime: Sun, 24/11/2024 to Sun, 24/11/2024

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