In the beginning, "Malina" appears to be a romantic relationship: A woman torn between two men. But she can’t really fathom either of them and it soon becomes evident that there is more behind the disrupted phone conversations, the mythical stories, the nocturnal games of chess and the desperate monologues than mere romantic chaos. In fact, what is revealed is the life of a woman who dreams of overcoming the limitations of language and the violence of the past but is constantly thrown back to a feeling of being alien in the world: alien in her desire to belong, alien in her need for autonomy. In poetic and powerful language, Bachmann examines what it means when one’s own hopes don’t coincide with social expectations. What does it feel like to want to love in a world that knows no "We"?
Artists/Collaborators: von Ingeborg Bachmann (Autor/in), Constanze Becker, Fritzi Wartenberg, Janina Kuhlmann, Elena Scheicher, David Rimsky-Korsakow, Mario Seeger, Johannes Nölting
Runtime: Sat, 04/01/2025 to Sun, 05/01/2025
Was bleibt von einem Leben? „Sie war ein glückliches Kind“, „er ein jähzorniger Typ“, „eine gute Schachspielerin“, „ein verlässlicher Freund“. Erinnerungen von Fremden, Freund:innen und Geliebten, Gerüchte, Briefe, ein paar Fotos vielleicht. Vor allem aber: Festschreibungen; Erklärungen wie jemand gewesen sei, was jemanden ausgemacht habe. Das Bild einer Person, das Bild, das Andere von mir haben, ist ein Abgrund der Zuschreibungen und Erwartungen. Nur schwer ließe sich die Frage jedoch unabhängig davon stellen: Wer bin ich? Kann man diese Frage überhaupt beantworten? Wir kommen nicht umhin, es zu versuchen. „Die Hölle, das sind die anderen“, formulierte es Sartre prägnant. Die Erstarrung des Ich im Feuer des Blickes der Anderen ist uneinholbar.Von diesem Feuer schreibt Ingeborg Bachmann, in ihrer Prosa, den Gedichten und Briefen: Der Blick der Anderen, die Gesellschaft sei ein „Mordschauplatz“. Das Ich verbrennt lichterloh im Angesicht des Wir. Die Mörder: Die Anderen – und Ich. Ich und die Anderen. Bachmann schrieb 1959 in einem Brief an Max Frisch: „Es war immer Positionslosigkeit da, immer, und ich bin immer daran gescheitert. Ich war immer ausserhalb, uneingeordnet, ich habe in der Liebe und durch die Liebe immer den Boden verloren und daher nie einen gehabt.“ Besser kann man das Leid der namenlosen Ich-Erzählerin in "Malina", Bachmanns einzigem Roman, nicht zusammenfassen, als in diesem Versuch, sich selbst zu positionieren in einem Wir und gegen ein Wir, das so vehement einfordert man selbst zu sein, gleichzeitig aber nicht die geringste Abweichung verzeiht."Malina" ist Roman und dennoch „ausdrücklich eine Autobiographie, aber nicht im herkömmlichen Sinn. Eine geistige, imaginäre Autobiographie. Diese monologische oder Nachtexistenz hat nichts mit der gewöhnlichen Autobiographie zu tun, mit der ein Lebenslauf und Geschichten von irgendwelchen Leuten erzählt werden.“ (Bachmann). Die Identitätskrise und das Misstrauen gegenüber Zuschreibungen verband sie auch mit ihrem langjährigen Lebensgefährten Max Frisch. Das ständige Sich-neu-erfinden, Sichsuchen war ein Leitmotiv für beide. Doch die Leichtigkeit, die einem Frisch vergönnt war, der Krise als „produktiven Zustand“ verstanden haben wollte, dem man „den Beigeschmack der Katastrophe nehmen müsse“, war Bachmann nicht gegeben. Denn da ist ein Spalt. Wo Frisch stets an der Zufälligkeit der eigenen Identität leidend, dennoch die Fluidität genießen konnte, wurde Bachmann als Frau wie als Schriftstellerin stets in Frage gestellt – der Krise der Festschreibung konnte sie nie die Katastrophe nehmen."Malina" erschien 1971, zwei Jahre vor ihrem Tod. Durch einen Brand, den sie beim Einschlafen mit einer brennenden Zigarette ausgelöst hatte, erlitt sie schwere Verletzungen und erlag diesen schließlich. Es blieb immer: das Bild. Die letzten Dinge ordneten immer die Anderen.von Johannes Nölting