Dezember 2023
Unter dem Eindruck der kriegerischen Auseinandersetzungen im Gaza-Streifen feiert offener Antisemitismus eine Art Wiederauferstehung. Die „Zutaten“ Antizionismus, Islamismus, links- und rechtsradikaler Antisemitismus vermischen sich zu einem ungenießbaren, menschenverachtenden Gebräu. Es ist wichtig, dass man den Tatsachen unvoreingenommen und vorurteilsfrei ins Auge sieht. Dabei gilt es darauf zu achten, weder auf dem rechten, noch auf dem linken Auge politisch zu erblinden.
Antisemitismus in Universität und Schule
Lapidar hört sich das Ganze in einer von der Stabsabteilung Kommunikation des Polizeipräsidiums Berlin am 15. Dezember 2023 verbreiteten Pressemitteilung an: „Gestern Nachmittag entfernte sich in Dahlem eine Personengruppe trotz Aufforderung nicht aus einem Hörsaal. Kurz vor 15 Uhr setzte eine Mitarbeiterin der Freien Universität die Polizei davon in Kenntnis, dass sich Personen unberechtigt in einem Hörsaal der Universität aufhalten, in dem vorher eine Diskussionsveranstaltung im Kontext des Nahostkonflikts stattfand“. Was sich im nüchternen Amtsdeutsch relativ belanglos anhört, entpuppte sich als handfeste Israelfeindlichkeit eines Teils der linksgerichteten Studentenschaft. Die Hörsaalbesetzung sogenannter „propalästinensischer“ Studentinnen und Studenten fand überregional ein lebhaftes Echo, weil sie mit der Mär aufräumte, Antisemitismus sei nur im rechten politischen Spektrum zu verorten. Während propalästinensische Aktivisten die Deutungshoheit über den Nahostkonflikt für sich beanspruchten, fühlten sich jüdische Studierende an ihrer Universität zeitweise nicht mehr sicher.
Beunruhigende Nachrichten haben uns darüber hinaus aus der Zehlendorfer John-F.-Kennedy-Schule erreicht. Pressemitteilungen zufolge sind dort Ende Dezember 2023 antisemitische Schmierereien entdeckt worden. Polizei, Staatsschutz und Landeskriminalamt haben die Ermittlungen aufgenommen.
„Nie wieder ist jetzt“
Ein wichtiges Signal setzte der Landessportbund Berlin e.V., der für den 10. Dezember 2023 zu einer landesweiten Demo für ein friedliches und respektvolles Miteinander, gegen Antisemitismus und Rassismus, aufgerufen hatte.
„In Berlin haben wir in den vergangenen Wochen seit dem Terrorangriff der Hamas viele erschreckende Momente erlebt, in denen Menschen Antisemitismus geäußert und gezeigt haben“, schrieben die Sportfunktionäre auf ihrer Webseite. Der LSB hatte sich einer starken Bewegung angeschlossen, die sich in der Ablehnung antisemitischer Tendenzen einig ist. Ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt! Deutschland steht auf“ wurde von Politikern, Kulturschaffenden und Sportlern unterstützt. Es ist die Überschrift, die alle Aktionen gegen Antisemitismus in diesen Tagen miteinander verbindet.
Der Autor Harry Waibel vertritt die These, wonach die Entnazifizierung in beiden deutschen Staaten nach 1945 gescheitert sei. Hüben und drüben von Mauer und Stacheldraht sei dies der Grund, warum es weiterhin Neonazismus, Rassismus und Antisemitismus gibt. Unter dem Schlagwort „Rechte Kontinuitäten“ stellte sich der Schriftsteller am 13. Dezember 2023 bei einer Lesung in der Ingeborg-Drewitz-Bibliothek den Fragen der Zuhörerinnen und Zuhörer. Eingebettet war die Veranstaltung in die Vortragsreihe „Demokratie Mitgestalten!“