Sindy betreut ein interessantes Ehrenamtsprojekt. Segeln für junge Menschen mit Problemen. Durch die Arbeit und den Aufenthalt auf dem Schiff lernen die Menschen, ihr Leben zu meistern. Ihren Wunsch nach Austausch finde ich sehr spannend und gar nicht unrealistisch. Wir haben eine aktive Freiwilligenagentur, eine gute Segelschule und eine tolle, engagierte EU-Beauftragte. Da sollte doch was machbar sein.
Abgerundet wurde die Veranstaltung dann von einer kleinen Führung durch diese ehrwürdigen Räume. Das hat schon was. Ein schickes Kaminzimmer für die wirklich wichtigen Treffen, das gefällt mir. John macht so viel möglich und ist so ein Energiebündel. Er geht in zwei Jahren in Rente, aber davon spürt man überhaupt nichts. Auf dem Rückweg geht es dann mal flugs in die Burg und auch in die City hall. Dort gibt es so wundervolle, ehrwürdige Räume. Wir haben riesigen Spaß. Mal ins Trauzimmer, dann an den Büros der Parteien vorbei und schnell mal auf den Stuhl des Bürgermeisters. Ob ich das wohl darf? Wahnsinn, da wäre ich als Touri nie hingekommen. Dann zum Tagesabschluss noch drei Hausbesuche in der Travellersiedlung. Das holt mich dann wieder in das andere Dublin.
Mittwoch, 6. November 2019
Eine Sitzung fällt heute aus. Auch gut. So kann ich in Ruhe mal die Schreibarbeiten erledigen. Und natürlich mit den Kollegen*innen zur Kaffeepause gehen. Das habe ich ja gelernt und lasse mir keine mehr entgehen. Am Nachmittag besuche ich Trudi. Eine Sozialarbeiterin. Sie sprach mich auf einer Veranstaltung an. Sie ist vor 7 Jahren nach Dublin gezogen. Sie berichtet mir von dem komplexen Sozialsystem. Der Gang zum Arzt wird mit durchschnittlich 80 Euro selber bezahlt. Ebenfalls die ersten 10 Tage eines Krankenhausaufenthaltes. Da werden schon mal schnell ein paar hundert Euro benötigt. Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet eine Krankenzversicherung abzuschließen.
Den Abend genieße ich im Hostel. Übernachtungen im Hostel, das klang erstmal wie ein waghalsiges Unterfangen. Aber es hat sich als super Entscheidung entpuppt. Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt, die Angestellten sind freundlich und hilfsbereit. Mir wurde bislang schon öfters unkompliziert geholfen und Mario bereitet mir morgens auch noch mit Gesang und einem Lächeln den leckeren Cappuccino zu.
Donnerstag, 7. November 2019
Donnerstag ist hier Dauerregen. Das ist schon eine Herausforderung. Die Tram ist voll, die Busse fahren unregelmäßig und das Navi funktioniert bei dieser Regenmenge nicht so wirklich. Aber auch das schaffe ich. Es geht zu einer Fachkonferenz. Schwerpunkt ist die Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen mit Autismus oder ADHS. Eine Menge prasselt da auf mich ein. Mein Hörverständnis im Englischen ist ganz gut, aber das auf der Tagung ist dann doch eine Herausforderung. Diese Mischung zwischen irischem Dialekt und Schnelligkeit. Es gibt sehr gute und lebendige Beiträge.
Besonders beeindrucken mich Aoife und John. Aoife Dooley ist eine junge Frau mit grünen Haaren und unbändiger Power. Die quirlige Frau ist freischaffende Illustratorin, Grafic Designerin, Autorin und hat 2017 einen Komikerpreis für unter 30jährige gewonnen. Bei ihr wurde sehr spät Autismus diagnostiziert. Es ist schwer dies zu erkennen. Vor allem hat es ihr geholfen sich selber zu verstehen. John Lomergan ist ein wirklich spannender Typ. Er ist seit 1968 im Gefängnisdienst. Er sagt, dass er dort die menschliche Natur in ihrer schlimmsten Form und oft unerwartet in ihrer besten Form erlebt hat. Und dadurch hat er ein tiefes Verständnis für die menschliche Natur und die irische Gesellschaft entwickelt. Eigentlich hält er keinen Vortrag. Und das ist das Tolle. Er trägt seine Inhalte quasi als Theaterstück vor. Ja, wirklich. Er schlüpft abwechselnd in die Rolle einer Mutter und in die des Gefängnisdirektors. Bei diesem Spiel vermittelt er seinen wertschätzenden
Arbeitsstil eindrucksvoll. Respektvolles Zuhören und wohlwollende Zustimmung, das sind für ihn Grundsteine zur menschlichen Veränderung. Ein Ansatz der mir persönlich sehr gut gefällt.