Die Woche begann mit dem 30-minütigen “Weekstart” in der Gemeindeverwaltung. 50-60 Kolleginnen und Kollegen versammeln sich dafür in der Cafeteria. In kurzen Berichten von maximal drei Minuten präsentieren die Vertreterinnen und Vertreter der einzelnen Stadtteile ihre aktuellen Vorhaben und Projektstände. Beispielsweise wurde der Social-Media-Auftritt gezeigt und ein anderer Kollege schaltete sich von einem neu eröffneten Spielplatz zu. Am Ende des Weekstarts wurden die Reinigungskräfte des Bezirks nach vorne gebeten, um ihnen die Möglichkeit zu geben, von ihrer Arbeit zu berichten und ihnen ausdrücklich für ihren Einsatz zu danken.
Ich habe mich erneut mit Kolleginnen des Doorbraken-Teams (“Durchbruch”) getroffen. Diese drei Kolleginnen haben vor ihrer jetzigen Tätigkeit im Projektbüro in den Bereichen des Kinderschutzteams und des OK-Teams (regionale Eltern-Kind-Beratung) gearbeitet. Ihre derzeitige Aufgabe besteht darin, bei schwierigen Fallkonstellationen Fachkräfte und BürgerInnen zu beraten, den Hilfeprozess zu begleiten und zu verbessern sowie alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen. Wenn standardisierte Lösungen nicht greifen, suchen sie individuelle Ansätze zur Lösung der Probleme. Auch hier hörte ich wieder, wie wichtig es sei, den “Blick durch die Augen des Klienten/der Klientin” einzunehmen. Gemeinsam wird untersucht, warum die bisherige Unterstützung gescheitert ist. Die Gründe dafür können in der Zusammenarbeit verschiedener Ämter, bestehenden Regelungen oder fehlender Finanzierung liegen. Das Projektteam bemüht sich, unbürokratische, pragmatische und
klientenorientierte Lösungen zu finden. Anschließend werden die erkannten Hindernisse auf verschiedenen Ebenen analysiert und, wenn möglich, verändert.
Meine Kollegin Juliette im Team des Programms “Nieuw-West” berichtet mir über ihre Arbeit, dass es in dem Stadtteil seit Jahren viele Probleme gibt, die bisher schwer zu lösen waren. Mit dem Programm wird versucht, ein Bündnis aus Regierung, sozialen Organisationen und BewohnerInnen zusammenzubringen, um pragmatische Lösungen zu finden. Im März 2023 wurde der Vertrag “Wir sind Nieuw-West Together” unterzeichnet, der die gemeinsamen Werte, Ziele und Herausforderungen festlegte. An diesem Bündnis sind aktuell mehr als 65 Parteien beteiligt, darunter Wohnungsunternehmen, die Polizei, Staatsanwaltschaften, Wohlfahrtsorganisationen, Wirtschaftsverbände und Schulgruppen. Ziel des Programms ist es, durch eine enge Zusammenarbeit in den Bereichen Wohnen, Sicherheit, Bildung und Soziales eine bessere Zukunft für Nieuw-West zu gestalten und die Chancengleichheit zu erhöhen. Die praktische Arbeit ist durch Netzwerken mit den betroffenen Organisationen und
Schlüsselfiguren geprägt. Die Schulen übernehmen einen wichtigen Part, da sie Zugang zu den Familien vor Ort ermöglichen. Angebote und Organisationen in die Schule zu integrieren ist daher eine entscheidende Aufgabe des Projektteams.
Mein Gespräch mit Rob, strategischer Berater bei Safe Home, der Beratungs- und Meldestelle für häusliche Gewalt und Kindesmissbrauch, bildete einen inspirierenden Abschluss meiner Hospitation. In Amsterdam gibt es einen zentralen Meldebereich, der von 8 bis 22 Uhr Kinderschutzmeldungen von Organisationen, Fachkräften, Privatpersonen und SelbstmelderInnen entgegennimmt. Dort werden Meldungen nach einem festgelegten Ablauf bearbeitet: Bei dringenden Anliegen wird sofortige Hilfe geschickt, während weniger dringende Fälle an ein anderes Team weitergeleitet werden, das dann innerhalb von zehn Tagen Kontakt zur Familie aufnimmt. 80 % der Meldungen stammen von der Polizei; oft wird die Familie dann gemeinsam mit der Polizei aufgesucht. Rob betonte, dass die nachhaltige Arbeit mit den Familien durch die geteilte Verantwortung häufig erschwert wird. Er bestätigte meine Beobachtung, dass die AnsprechpartnerInnen für Familien in den Niederlanden je nach Bedarf und Schwere des
Falls unterschiedlich und zahlreich sind. Er interessierte sich besonders für das Konzept der Familienhilfe, bei dem Fachkräfte durch das Jugendamt direkt in die Familien entsandt werden, um dort gemeinsam an Zielen zu arbeiten. Im familiengerichtlichen Bereich stellt das niederländische System derzeit auf den Einsatz von “Anwälten der Kinder” um. Dies wird bei uns bereits durch Verfahrensbeistände praktiziert. Dieses Gespräch hat mir wertvolle Einblicke in die Struktur und die Herausforderungen des niederländischen Kinderschutzsystems gegeben.