LoGo! Europe: Heide Weber berichtet aus Wien

_Im Umwelt- und Naturschutzamt des Bezirks kümmert sich Heide Weber um Baum- und Freilandartenschutz. Im September 2023 hospitiert sie für vier Wochen in der Wiener Umweltschutzabteilung (MA 22), um mehr über die dortige Herangehensweise an diese Themen zu erfahren. Hier ihr Bericht:_

1. Woche

Nach achteinhalbstündiger Zugfahrt komme ich etwas geschafft in Wien an. Eine angenehme sonntägliche Gelassenheit liegt über der Stadt und ich gelange gut mit der U-Bahn zu meiner Unterkunft im 9. Bezirk. Ich vertrete mir die Beine im nahe gelegenen Palais Liechtenstein und habe sogleich den ersten schönen Park mit Altbäumen entdeckt.

Am Montag geht es los mit einer Vorstellungsrunde aller LoGo!-Europe-Teilnehmenden aus Berlin, insgesamt sind wir sieben. In den kommenden Wochen folgen noch weitere Teilnehmende und ich bin beeindruckt, dass wir alle in den verschiedenen Abteilungen untergebracht und von der Stadt Wien aufgenommen werden.

Gleich im Anschluss fahre ich zu meiner Dienststelle, der Magistratsabteilung 22 / Umweltschutz (kurz MA 22) und werde auch hier herzlich willkommen geheißen. Schon im Vorhinein hatte ich Kontakt zu meinem Ansprechpartner und mir wurde per E-Mail das “Du” angeboten. Auch vor Ort setzt sich die ungezwungene Stimmung fort. Wir befinden uns in einem recht neu errichteten Gebäude, in welchem auf drei Etagen die MA 22 untergebracht ist. Die Gänge sind großzügig, es gibt auf den Fluren einladende Sitzecken und die offenen Türen gewähren Einblick in angenehm gestaltete Arbeitsräume, alles wirkt etwas persönlicher als ich es von unseren Amtsgebäuden gewohnt bin.

Bevor ich zur Mittagspause von den Kollegen eingeladen werde, haben wir schon eine gut mit Terminen gefüllte Woche für mich geplant. Ich kann bei sämtlichen “Ortsaugscheinen” mit verschiedenen KollegInnen dabei sein und die für mich passendsten Themen heraussuchen. Als kleine Einführung starte ich gleich mit meinem Ansprechpartner und per Rad zu aktuellen Naturschutzprojekten in der näheren Umgebung.

  • Dienstgebäude

    Dienstgebäude

  • Palais Liechtenstein

    Palais Liechtenstein

  • Neu errichtete städtische Sporthalle mit Fassadenbegrünung und Nistkästen

    Neu errichtete städtische Sporthalle mit Fassadenbegrünung und Nistkästen

Die Woche legt einen Schwerpunkt auf Naturschutzthemen. Ich bin bei mehreren Terminen zu Mahdmanagement dabei – Wien fasst einige landwirtschaftlich genutzte Flächen mit ein, Absprachen mit Landwirten sind zu treffen, Flächenentwicklungen zu dokumentieren, Themen, die bei uns kaum vorkommen und eine Besonderheit für mich darstellen.

Wien ist für seine Gemeindebauten bekannt und diese fallen beim Spazieren durch die Stadt sofort auf, denn meistens sind sie eindeutig als solche beschriftet oder auch mit künstlerischen Elementen verziert. Dass eine so große Anzahl an Gebäuden und dazugehörigen Grünflächen aus einer Hand (Wiener Wohnen) verwaltet wird, ist für die Planung und Durchsetzung von Naturschutzthemen vorteilhaft. Entscheidungen, die getroffen werden, betreffen ein großes Areal, die Rasenflächen der Wiener Wohnen umfassen zusammengenommen immerhin eine Fläche von 600 ha. So wird bspw. ein auf Biodiversität angepasstes Mahdmanagement fortwährend erprobt und weiter verbessert. Aktuell startet in Zusammenarbeit mit einer beauftragten Landschaftsplanerin die Suche nach Flächen, die sich mit landwirtschaftlichen Geräten befahren lassen und auf diese Weise die Anforderungen an die Mahd mit der nötigen Kostengünstigkeit unter einen Hut bringen.

Auch das Thema Gebäudebrüter und ihr Schutz bei Sanierungsarbeiten kann an die MitarbeiterInnen der Wiener Wohnen als gut adressierbare Gruppe herangetragen werden. Ich bin bei einer Schulung zu diesem Thema dabei, in der auch der große Pool an gelungenen Vorhaben vorgestellt wird und tausche mich mit dem zuständigen Kollegen zu ersten Themen des Gebäudebrüterschutzes aus, der auch für meine Arbeit einen Schwerpunkt darstellt.

Weitere Highlights der Woche sind Begehungen, bei welchen ich den Feldhamster (Cricetus cricetus) und Ziesel (Spermophilus citellus, “Samenfreund”) sichten kann – jeweils streng geschützte Säugetierarten. Der Feldhamster kann sich auf Grünflächen wie den weitläufigen Arealen der Wohnanlagen der Gemeindebauten, aber auch auf Friedhöfen arrangieren und gilt als sogenannter Kulturfolger. Denn sein eigentlicher Lebensraum sind Felder und Ackerrandstreifen und nicht der urbane Raum, in welchen er aufgrund des Lebensraumverlustes ausweicht. Ähnlich verhält es sich mit dem Ziesel, der jedoch eher Trockenrasen benötigt. Das Vorkommen der beiden Arten stellt eine Besonderheit für Wien sowie eine zusätzliche Herausforderung bei der Pflege der Flächen oder der Inanspruchnahme dieser bei Bauvorhaben dar.

Leider ist die fotografische Dokumentation der beiden Arten etwas schwierig, da die flinken Tiere immer wieder schnell in ihren Gängen und unterirdischen Bauten verschwinden.

  • Ausgleichsfläche für Ziesel neben einem Neubauviertel

    Ausgleichsfläche für Ziesel neben einem Neubauviertel

  • Wiener Schnirkschnecke (Caucasotachea vindobonensis) als Indikatorin eines intakten Lebensraums

    Wiener Schnirkschnecke (Caucasotachea vindobonensis) als Indikatorin eines intakten Lebensraums

Außerdem lerne ich eines der derzeitig größten Bauvorhaben kennen, ein neues (teils bereits entstandenes) Wohnquartier, welches sich u. a. mit Habitaterhalt von Wechselkröte (Bufotes virides) und Zauneidechse (Lacerta agilis) in Umsetzung befindet. Hier werden durch die KollegInnen der MA 22 Führungen angeboten, um die neuen und künftigen Bewohner sowie Interessierte auf die Besonderheiten im Wohnumfeld aufmerksam zu machen und zu sensibilisieren.

Ich kann erkennen, dass sehr aktiv auf die Bevölkerung zugegangen wird und diese frühzeitig und fortlaufend zu Themen des Naturschutzes beteiligt wird.

  • Wechselkröten-Ausgleichsgewässer neben einem Neubauviertel

    Wechselkröten-Ausgleichsgewässer neben einem Neubauviertel

  • Fassadenbegrünung und Fledermauskästen an einem Neubau

    Fassadenbegrünung und Fledermauskästen an einem Neubau

Den Freitag starte ich sehr früh, denn ich möchte bei einer Wurzelerkundung mittels Georadar dabei sein, die aufgrund des geringen Publikumsverkehrs in den Morgenstunden stattfindet. Der Wurzelverlauf ist je nach Stärke des Radars bis in verschiedene Tiefen aufnehmbar und ersetzt eine händische Aufgrabung (Wurzelsuchschachtung), die oftmals mit Verletzungen der Wurzeln einhergeht und je nach Größe der zu untersuchenden Fläche sehr aufwendig ist. Dieses Verfahren wird in Wien jedoch auch nur in besonderen Situationen eingesetzt, z. B. bei Bauarbeiten, die den Wurzelbereich eines Naturdenkmals betreffen.

Anschließend führt mich ein Kollege zu einer im Hinterhof versteckten alten, gewundenen Platane, ein wahrer Geheimtipp und wunderbar ruhiger Ort. Außerdem besichtigen wir den ersten als Naturdenkmal ausgerufenen Fassadenbewuchs Wiens, einen mehr als 100 Jahre alten Weinstock.

  • Naturdenkmal vierstämmige Sommerlinde, mit QR-Code versehen, um bei Interesse mehr Informationen abrufen zu können

    Naturdenkmal vierstämmige Sommerlinde, mit QR-Code versehen, um bei Interesse mehr Informationen abrufen zu können

  • Erster als Naturdenkmal ausgerufener Fassadenbewuchs Wiens

    Erster als Naturdenkmal ausgerufener Fassadenbewuchs Wiens

Nach einer vollgepackten, thematisch sehr abwechslungsreichen Woche, teils mit Vorträgen am Abend und Pub-Quiz mit den KollegInnen, verbringe ich das Wochenende mit Erkundungstouren in den Schlossgarten Schönbrunn sowie den Nationalpark Donauauen. Ich bin begeistert von den vielen nahe gelegenen Erholungsmöglichkeiten, die sich hier bieten und freue mich auf die kommende Woche.

2. Woche

Zu Beginn der Woche bin ich bei einem Austauschtreffen zwischen meiner Abteilung mit der Abteilung 31 – Wiener Wasser dabei. Das Wiener Trinkwasser besteht zu nahezu 100 % aus Hochquellwasser aus den niederösterreichisch-steirischen Alpen. Von dort wird das Wasser in zwei Hochquellenleitungen aus bis zu 180 km Entfernung durch ein natürliches Gefälle in die Hauptstadt geleitet. Hier kommt es aus dem Hahn oder kann an einem der öffentlichen Trinkbrunnen oder einer der Sprühnebelduschen der Stadt für Erfrischung sorgen.

Die Flächen der MA 31, die bspw. über und um die Leitungen und um die Wasserbehälter (Trinkwasserspeicherung) herum liegen, zum großen Teil außerhalb der Stadt, umfassen eine nicht unerhebliche Fläche. Die Bewirtschaftung (Mahd) sowie Anlage von Kleinstrukturen für bspw. Zauneidechsen und Insekten soll verbessert werden. Die Initiative zum Treffen hat das Qualitätsmanagement der Wiener Wasser gegeben, nachdem ein Mitarbeiter bei einer Veranstaltung der MA 22 vom Artenvielfalt-Projekt “Netzwerk Natur” erfuhr. Ich wohne einem dreistündigen, sehr dynamischen Gespräch bei, bei welchem das Ziel des Austausches zwischen Praxis und Wissenschaft eindeutig erfüllt wird.

  • Sprühnebeldusche, an heißen Tagen begehrt

    Sprühnebeldusche, an heißen Tagen begehrt

  • Öffentlicher Trinkbrunnen

    Öffentlicher Trinkbrunnen

In dieser Woche kann ich mehr über den Baumschutz in Wien erfahren, das Themenfeld, mit welchem ich bei meiner Arbeit in Berlin schwerpunktmäßig zu tun habe. Der Baumschutz ist in Wien nicht im Umweltschutz, sondern in der Abteilung 42 – Stadtgärten angesiedelt. Ich muss für ein erstes Kennenlernen der Leiterin des Baumschutzes nicht das Haus verlassen, jedoch den Gebäudeteil sowie das Stockwerk wechseln.

Im Gespräch entdecken wir Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede bei unserer Arbeit. Der Antrag zur Fällung eines Baumes muss in Wien beim zuständigen Magistratischen Bezirksamt gestellt werden. Von dort wird er an den Baumschutz übermittelt, der die Begutachtung vor Ort sowie die Erstellung eines Gutachtens übernimmt. Nach Rückübermittlung der Informationen stellt das Magistratische Bezirksamt dann den Bescheid aus. Mir kommt der Ablauf zunächst umständlicher vor als bei uns, wo alles aus einer Hand bearbeitet wird. Dank der elektronischen Akte, die in Wien seit 2013 fester Bestandteil der Arbeit ist, sind zum Übermitteln von Informationen jedoch nur Mausklicks nötig. Jeder der beteiligten Mitarbeiter kann einsehen, in welchem Bearbeitungsstand sich ein Verfahren befindet und durch die Beteiligung mehrerer Bearbeiter scheint sich kaum eine Zeitverzögerung zu ergeben.

  • Beeindruckende Eiche im Auer-Welsbach-Park

    Beeindruckende Eiche im Auer-Welsbach-Park

  • Gewährleistung der Verkehrssicherheit: Abgrenzung statt Fällung, Türkenschanzpark

    Gewährleistung der Verkehrssicherheit: Abgrenzung statt Fällung, Türkenschanzpark

  • Vorgreifende Bürgerinformation

    Vorgreifende Bürgerinformation

Weitere Unterschiede im Baumschutz ergeben sich aus den verschiedenen rechtlichen Rahmenbedingungen, die unsere Städte setzen, dem Wiener Baumschutzgesetz und der Berliner Baumschutzverordnung. In Wien ist ein Baum ab 40 cm Umfang in 1 m Höhe geschützt, in Berlin ab 80 cm in 1,3 m Höhe – ein deutlicher Unterschied und Vorteil für die Wiener Bäume. Außerdem gibt es Unterschiede bei der Errechnung von Ersatzbäumen, die nach einer Fällung gepflanzt werden müssen. Bei einem umfangreichen vitalen Altbaum von 2,50 m Umfang müssten laut Wiener Baumschutzgesetz 16 Bäume gepflanzt werden, in Berlin wären es je nach Baumart maximal 5. Durch die nötige Zahlung von 1.090 € für jeden Baum, der nicht gepflanzt werden kann, kommen in Wien deutlich höhere Ausgleichssummen zustande als durch die Berliner Baumschutzverordnung erreicht werden. Bei Begehungen im Zuge der Wertermittlung bzw. Einschätzung des Vitalitätszustands der Bäume gehen die KollegInnen grundsätzlich zu zweit, um sich bei einer Anfechtung der Beurteilung im Nachhinein abzusichern.

In Wien wie auch in Berlin soll das Baumschutzgesetz verändert werden. Ich führe ein Gespräch mit einem Mitarbeiter der Rechtsabteilung, der für die Ausarbeitung der Veränderungen mit verantwortlich ist.

Auch die Gebäudebrüter kommen diese Woche nicht zu kurz, wobei es bei dem Bauvorhaben, welches ich mit dem Kollegen besuche, vordergründig um Fledermäuse geht. In einer laufenden Fassadensanierung werden Absprachen zum weiteren Vorgehen und Schutz der in den Dehnungsfugen der Fassade lebenden Fledermäuse mit dem Projektleiter, Mitarbeitern der Baufirma sowie der eingebundenen Sachkundigen getroffen. Mit einiger Überlegung zu den folgenden Arbeitsabläufen kann die Herausforderung angegangen werden. Im Gespräch mit dem Kollegen bestätigen wir uns gegenseitig, dass Grundstückseigentümer/Bauherren oftmals leider erst zu spät über den einzuhaltenden Artenschutz Bescheid wissen. Informationsschreiben im Vorhinein haben nicht immer einen Effekt und können aufgrund fehlenden Personals oftmals gar nicht erst erstellt und versendet werden. Vor Arbeiten am Gebäude ist eine Besiedlung durch geschützte Arten oftmals nicht bekannt.

  • Ausschnitt aus dem öffentlichen digitalen Kartenverzeichnis, Beispiel Gebäudebrüter

    Ausschnitt aus dem öffentlichen digitalen Kartenverzeichnis, Beispiel Gebäudebrüter

  • Einfallsreiche Nisthilfe am Baum

    Einfallsreiche Nisthilfe am Baum

Zur Erhebung der Gebäudebrütervorkommen in Wien hat mein Kollege ein Citizen-Science-Projekt gestartet. Anwohner wurden aufgerufen, ihnen bekannte Niststätten zu melden. Mit Hilfe von Freiwilligen, vor allem Biologie-Studierenden, die mein Kollege bei passenden Vorlesungen an der Uni anwarb, wurden die gemeldeten Sichtungen verifiziert und eine Karte erstellt. Eine große Arbeitsunterstützung, die dazu beitrug, zahlreiche unbekannte Niststätten und Quartiere von Gebäudebrütern und Fledermäusen zu entdecken. Ich nehme das Projekt als starke Anregung für die eigene Arbeit mit, die Anzahl der uns bekannten Niststätten zu erhöhen und einen besseren Schutz für die genannten Tierarten zu garantieren.

Die Abende der Woche werden ergänzt durch einen Vortrag über Klimawandel beim Naturschutzbund Wien sowie durch den magistratsabteilungsübergreifenden Stammtisch, zu welchem ich eingeladen werde. Dieser findet einmal im Monat statt und ich fühle mich geehrt, dabei sein zu dürfen. In einem typischen Heurigen treffe ich KollegInnen aus den Abteilungen Wiener Wohnen, Umweltschutz und Wiener Wasser. Mir gefällt die Mischung aus fachübergreifendem Fachlichen und den Themen und Zwischentönen, die außerhalb der Arbeitsatmosphäre bei einem Getränk und Essen aufkommen.

3. Woche

Auch die dritte Woche meiner Hospitation ist wieder gut mit Terminen gefüllt. Im Kalender kann ich einsehen, was bei den KollegInnen ansteht und bei Interesse anfragen, ob ich bei Terminen dabei sein kann. Die Namenskürzel muss ich manchmal noch erfragen oder auf der Telefonliste nachsehen. Sie sind für einen Außenstehenden ähnlich schwer zu erfassen wie unsere Stellenzeichen.

Zu Beginn der Woche bin ich bei einer Kontrolle zu einem Fledermausvorkommen dabei. Hier ist die Einbeziehung meines Kollegen frühzeitig erfolgt, sodass rechtzeitig Sachkundige hinzugezogen werden können. Da das Dach des zu sanierenden Gebäudes nicht ausgebaut werden soll, bietet sich die Förderung der Ansiedlung von Fledermäusen an. Der Bauherr ist gewillt, entsprechende Maßnahmen zu treffen und das Gebäude artenschutztechnisch aufzuwerten. Ein positives Ergebnis für den Artenschutz.

Am Dienstag fallen spontan zwei Termine aus. Ich werde sofort informiert und kann den Vormittag für die Bearbeitung meines Vortrages über meine Arbeit in Berlin nutzen. Während der vergangenen zwei Wochen sind mir von verschiedenen KollegInnen Wunschthemen zugetragen worden, die ich zusätzlich und etwas intensiver im Vortrag aufgreifen werde. Die Durchführung findet am Donnerstag im Anschluss an den Jour fixe des Bereichs statt. Obwohl ich in Einzelgesprächen schon einiges über meine Arbeit in Berlin/Charlottenburg-Wilmersdorf erzählt habe, schaffen Bilder und Grafiken eine bessere Vorstellung. Auch weitere Fragen ergeben sich.

Beim wöchentlich stattfindenden Jour fixe bin ich immer dabei. Ich bekomme einen Überblick über zahlreiche laufende Projekte der KollegInnen. Reihum berichtet dabei jeder vom Stand seiner Projekte. Die Regel ist, dass das Thema mindestens zwei weitere Personen betreffen muss, um nicht durch Zweiergespräche den zeitlichen Rahmen der Sitzung zu sprengen.

  • Ortstermin an der Grenze zu Niederösterreich, Blick vom Bisamberg auf Wien

    Ortstermin an der Grenze zu Niederösterreich, Blick vom Bisamberg auf Wien

  • Im Wiener Wald nahe Hadersdorf

    Im Wiener Wald nahe Hadersdorf

Neben den Terminen und Besprechungen im Büro bin ich auch wieder viel draußen unterwegs. Mit einer Kollegin habe ich mich zur Führung im Biosphärenpark (= Biosphärenreservat) Wiener Wald angemeldet, welcher zum größten Teil in Niederösterreich liegt, jedoch auch sieben Wiener Bezirke schneidet. Der Wiener Wald ist – wie der Name verlauten lässt – geprägt durch Wälder, vor allem Buchen- und Eichen-Hainbuchenwälder, umfasst jedoch auch 23 Wiesentypen und ist eines der bedeutenden stadtnahen Erholungsgebiete. Und gerade darin liegt Konfliktpotenzial, denn die Erholungsnutzung geht mit einigen Regeln einher wie der Leinenpflicht für Hunde, die stetiger Vermittlung bedürfen und oftmals nicht eingehalten werden. Die Kontaminierung des Heus mit Hundekot führt wiederum zu Absatzschwierigkeiten desselben, welches eine sinnhafte Bewirtschaftung stark behindert.

Am Freitag starte ich zu einem Ganztagesausflug mit einem Kollegen in den Nationalpark Donauauen. Eine Millionenstadt mit Nationalpark gibt es selten, auch hier ist eine der Herausforderungen, die Nutzung durch Erholungssuchende mit dem Erhalt der Natur in Einklang zu bringen. Bei unserer Begehung, die wir mit dem Rad unternehmen, liegt der Schwerpunkt jedoch auf der Wasserversorgung der Flächen. Wir halten an mehreren Stellen an und schauen uns den Durchfluss des Mühlwassers an, eines Flusses, welcher von der Donau abzweigt und das Wasser in die Fläche des Nationalparks bringt. Vielerorts sind die Flächen weniger überflutet als in vergangenen Jahren. Die Flächen laufen Gefahr zu verbuschen und bieten gute Wuchsbedingungen für invasive Arten wie die Kanadische Goldrute (Solidago canadensis). Ein Highlight des Tages ist die Sichtung einer Gottesanbeterin (Mantis religiosa), die mir vor das Fahrrad läuft. Die Fangschrecke ist eine Seltenheit in Berlin. In Wien hat sie in den letzten Jahren und mit den zunehmend wärmeren Temperaturen stark zugenommen.

  • Mühlwasser im Nationalpark Donauauen

    Mühlwasser im Nationalpark Donauauen

  • Gottesanbeterin

    Gottesanbeterin

  • Wien – Biosphärenreservat im Südwesten, Nationalpark im Südosten, grüne Flächen: Landschaftsschutzgebiete

    Wien – Biosphärenreservat im Südwesten, Nationalpark im Südosten, grüne Flächen: Landschaftsschutzgebiete

Zusätzlich zu den Nationalparkflächen schauen wir bei unserer Rundtour auch die angrenzenden, teils neu ausgerufenen Landschaftsschutzgebiete an. Hier kann der Naturschutz einige Gewinne für sich verzeichnen. Der Siedlungsdruck ist groß, Wien wächst stärker als Berlin. Einige Flächen konnten nun langfristig gesichert werden, sodass die Bebauung in einigen Bereichen zukünftig nicht bis an den Nationalpark heranreichen wird. Das Ziel eines Grüngürtels um die Stadt herum lässt sich auf der Karte der Schutzgebiete (s. Abbildung) erkennen.

Die Karte lässt sich im “Umweltgut” aufrufen – einem digitalen Kartenverzeichnis, in welchem umweltrelevante Informationen und ein Themenstadtplan abgerufen werden können. Schon am ersten Tag ist mir das Wort Umweltgut zu Ohren gekommen, denn es wird auch innerhalb der Verwaltung, ergänzt mit weiteren Funktionen und Informationen, ständig für die Arbeit verwendet. Das Umweltgut gefällt mir sehr, da es viele Informationen vereint, die sonst in separaten Anwendungen zu finden sind. Neben den Schutzgebieten lassen sich Tierarten, von verschiedenen Vogelarten bis Tagfaltern, Biotoptypen, Naturdenkmale, Fassadenbegrünungen, öffentliche Grünflächen, Klimakarten, aber auch andere wichtige und nützliche Informationen abrufen, wie das öffentliche Verkehrsnetz, Fahrradwege, Fahrradausleihstationen, Märkte und Altstoffsammelstellen.

Wer in der Freizeit noch weitere Informationen benötigt, ist mit dem mobilen Stadtplan gut bedient. Hier können von Hundeflächen samt Hundekotsackerlspendern über Wasserspielplätze, Trinkbrunnen und Grillplätze bis zu Outdoor-Sportanlagen sämtliche Angebote eingesehen werden. Mit dem mobilen Stadtplan in der Tasche starte ich gut vorbereitet ins Wochenende.

4. Woche

Die vierte und letzte Woche meiner Hospitation bricht an und ich realisiere, wie schnell die Zeit vergangen ist. Ich gerate in leichte Panik, da es schwierig wird, alles, was ich mir noch vorgenommen habe, in der letzten Woche unterzubringen.

Ich besuche mit einem Kollegen der MA 45 / Wiener Gewässer den Liesingbach, welcher auf gut 18 km Länge durch das südliche Wiener Stadtgebiet fließt. Der Bach wurde in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts zum Schutz vor Hochwasser stark reguliert und die Sohle gepflastert. Seit 1997 wird er wieder renaturiert, z. Z. wird ein Bauabschnitt bearbeitet, welcher bis 2027 fertiggestellt werden soll. Das Ziel ist die Erhöhung der Wasserqualität sowie die Wiederherstellung von Lebensräumen für Flora und Fauna.

Der Kollege der MA 45 hat im Zuge der Baumaßnahmen die Begutachtung der Bäume übernommen. An den meisten Stellen konnten die Bäume erhalten bleiben. Ein stärkerer Umbau des Baches mit Änderung seines Laufes konnte oftmals aufgrund der eng angrenzenden Bebauung nicht vorgenommen werden.
Die MA 45 hat ein auf ihre Rahmenbedingungen abgestimmtes internes Baumleitbild entworfen, welches einen kurzen Überblick der Funktionen von Bäumen sowie eine Empfehlung bzw. Orientierung für die Mitarbeitenden bereitstellt, wie mit den Bäumen am Gewässer im Hinblick auf Hochwasserschutz, Gewässerökologie und Erholungswert umgegangen werden sollte. Ein wichtiges Thema, denn oft ist das Wissen über Bäume bei denjenigen, die täglich mit ihnen zu tun haben, nicht ausreichend vorhanden und es kommt zu Schäden, die leicht verhindert werden könnten.

  • Der Liesingbach, noch stark regulierter und befestigter Abschnitt

    Der Liesingbach, noch stark regulierter und befestigter Abschnitt

  • Der Liesingbach, kürzlich fertiggestellter renaturierter Abschnitt

    Der Liesingbach, kürzlich fertiggestellter renaturierter Abschnitt

Da ich nach dem Termin in der Gegend bin, schaue ich mir den Wohnpark Alterlaa an, eine Wohnanlage, die in den 1970er Jahren entstand und als bekanntes, gut funktionierendes Beispiel einer Stadt in der Stadt gilt. Mich interessieren vor allem die großzügigen Pflanzmöglichkeiten auf den Balkonen, welche Mieter einer Wohnung bis in den 12. Stock nach ihren Wünschen gestalten können. Die Möglichkeit wird so gut wie von allen Bewohnenden genutzt und es entsteht der Eindruck, dass die Innenhofbegrünung auf das Haus übergreift.

  • Wohnpark Alterlaa, großzügige Balkonbegrünung

    Wohnpark Alterlaa, großzügige Balkonbegrünung

  • Wohnpark Alterlaa, hier wachsen sogar Bäume

    Wohnpark Alterlaa, hier wachsen sogar Bäume

In dieser Woche kann ich wieder mit KollegInnen vom Baumschutz mitgehen. Bei einem Termin mit vielen Beteiligten wird über ein mögliches Konzept zum Erhalt und der Neupflanzung auf einem innerstädtischen, stark versiegelten Museumsgelände gesprochen. Da dieser Standort extreme Bedingungen für Bäume bietet, ist es schwer, konkrete Aussagen zu zukünftig geeigneten Baumarten zu treffen. Ich bin jedoch angetan von der Motivation und Eigeninitiative der Grundstücksnutzenden, die trotz der Fachfremdheit die Notwendigkeit zu handeln klar erkannt haben.

Außerdem begleite ich einen Kollegen bei einem typischen Tag eines Baumschützers. Wie bei uns auch werden gerne mehrere Außentermine nacheinander abgearbeitet und dann anschließend im Büro aufgearbeitet. Wir fahren mit dem Auto in die Bezirke, in denen der Kollege zuständig ist und besichtigen zur Fällung beantragte Bäume auf mehreren Privatgrundstücken. Nach den ersten zwei Besichtigungen muss ich schmunzeln, da sie exakt so abgelaufen sind wie bei uns.
Die kurze Vorstellung am Gartentor – meistens muss man sich rufend vorstellen, da es vom Gartentor zur Haustür ein Stückchen ist. Das Hereingelassen werden und anschließendes Gespräch mit den Antragstellenden bei Inaugenscheinnahme des Baumes, bei welcher versucht wird zu ergründen, woran der Baum gestorben ist. Entgegen der Erwartung seitens der Antragstellenden ist dies leider auch von Mitarbeitenden des Baumschutzes nicht immer sicher ergründbar. All das könnte auch gerade in Berlin stattfinden. Lediglich bei der Abstimmung zum neu zu pflanzenden Baum brauchen die KollegInnen mehr Hartnäckigkeit als wir. Denn auch ein abgestorbener Baum muss nach Wiener Baumschutzgesetz durch einen neuen Baum ersetzt werden. Nach Antrag bei der Bezirksverwaltung kann die Pflanzung in eine Ausgleichsabgabe umgewandelt werden. So wie ich es mitbekomme, wird meistens jedoch auf die Pflanzung bestanden. Eine Ausnahme kann z. B. gewährt werden, wenn sich auf dem Grundstück partout kein Platz mehr für eine Ersatzpflanzung finden lässt.

  • Als Habitat belassener Reststamm vor historischem Gebäude

    Als Habitat belassener Reststamm vor historischem Gebäude

  • Neubau und Baumerhalt, eine knappe Entscheidung

    Neubau und Baumerhalt, eine knappe Entscheidung

Mir gefällt diese Regelung sehr gut. Denn in Berlin kann man beobachten, dass bei größeren Wohnanlagen die Innenhöfe nach natürlichem Abgang der Bäume über die Jahre immer baumärmer und kahler werden – eine Entwicklung, die man mithilfe eines passenden Paragrafens in der Baumschutzverordnung aufhalten könnte.
Ich kann an diesem Tag sogar etwas für die Zukunft mitbestimmen – der Kollege lässt mich auf einem Grundstück den neu zu pflanzenden Baum auswählen. Ich entscheide mich für eine Maulbeere. Diese Baumart, die als klimafit gehandelt wird und zudem leckere Früchte zum Naschen trägt, wähle ich auch in Berlin gerne ab und zu als Ersatzpflanzung aus.

Die letzte Woche lässt den nahenden Abschied deutlich werden. Am Mittwoch treffe ich mich mit einigen anderen LoGo!-Europe-Teilnehmenden aus Berlin zum Essen. Von Erfahrungen der anderen zu hören ist interessant und es tut gut, die eigenen Gedanken mitzuteilen. Wir können einige Beobachtungen und Feststellungen teilen.

In meiner Abteilung steht der letzte Jour fixe an, in welchem ich mich mit Kuchen verabschiede und allen KollegInnen noch einmal für ihre Zeit und Aufgeschlossenheit danke.

Ich bin zu einer Feedback-Runde der Hospitation mit zwei weiteren Teilnehmenden geladen, in der unser Aufenthalt besprochen und unsere Rückmeldungen an unseren Ansprechpartner und Organisator in Wien aufgenommen werden.
Außerdem besuche ich eine Veranstaltung zu EU-geförderten Projekten in Wien, welche im Rathaus stattfindet. Ich genieße die Atmosphäre des Veranstaltungsortes und bekomme einen weiteren Einblick in die Organisation der Verwaltung in Wien.

Anschließend geht es ein letztes Mal ins Gelände. Der Tag klingt bei einer Kontrolle der Wiesenmahd zwischen den Weinbergen im Westen Wiens aus. Ich kann noch einmal den Blick hinunter auf die Stadt werfen, die ich während meiner einmonatigen Hospitation sehr liebgewonnen habe.

  • Innenhof des Rathauses

    Innenhof des Rathauses

  • (Abschieds-)Blick über die Weinberge auf die Stadt

    (Abschieds-)Blick über die Weinberge auf die Stadt

Was habe ich mitgenommen?

Während meines Aufenthaltes habe ich einen umfassenden Einblick in die Arbeit der Umweltschutzabteilung Wiens gewonnen. Ich war mit vielen verschiedenen KollegInnen unterwegs und konnte auf diese Weise zahlreiche Themen, aber auch verschiedene Sichtweisen zu gleichen Themen mitbekommen. Die Projekte waren nicht immer vergleichbar mit dem, was ich bei meiner Arbeit in Berlin behandle. Die Bereitschaft, den Blick zu weiten und nicht starr auf dem Vergleichen der eigenen Arbeitsschwerpunkte zu beharren, hat mir jedoch einen Zugewinn eingebracht. Auf diese Weise ließen sich Arbeitsweisen und -abläufe überblicken und auch die eigene Arbeit in einem größeren Zusammenhang reflektieren.
Ich konnte Wien mit seiner Naturausstattung und näheren Umgebung kennenlernen, indem ich jede Gelegenheit nutzte, bei Vor-Ort-Terminen dabei zu sein und auf diese Weise ein Gefühl für die Stadt entwickeln.

Was mir bei vielen Projekten auffiel, war, dass recht eng mit anderen Abteilungen zusammengearbeitet wird und anscheinend eine gute Vernetzung besteht. Aber auch, dass der Wille zur Implementierung von Naturschutzthemen bei fachfremden Abteilungen innerhalb der Verwaltung vorhanden ist und nicht der zusätzliche Arbeitsaufwand, sondern der Zugewinn im Vordergrund steht. Ich hatte das Gefühl, dass an einem Strang gezogen wird und das Thema Umweltschutz schon tiefer in den Köpfen verankert ist und als selbstverständlich betrachtet wird.
Zudem wird sehr darauf geachtet, sich stetig zu verbessern und dies auch tatkräftig angepackt und umgesetzt. Das Wort Qualitätssicherung habe ich oft gehört.

Ein paar konkrete Dinge, die ich zukünftig bei meiner Arbeit beherzigen bzw. auch einbringen möchte, habe ich auch mitgenommen. Die Aspekte des Wiener Baumschutzgesetztes, die ich als sinnvoll erachte, werde ich in die Diskussion über die Novellierung der Berliner Baumschutzverordnung, bei welcher die Bezirke befragt werden, einbringen.

Das Gebäudebrüterprojekt des Kollegen aus Wien, mit Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern, ist definitiv nachahmenswert. Aber auch die Frage, wie sich alle Daten zu Gebäudebrütern in Berlin am besten bündeln lassen können, werde ich mit in die nächste bezirksübergreifende Artenschutzrunde tragen.

Mit einer weiteren Kollegin aus der MA 22 habe ich mich über Beweidungsprojekte ausgetauscht. Hier besteht Interesse, sich einige Projekte in Berlin anzuschauen, die als Anregungen dienen und auf vergleichbare Weise in Wien umgesetzt werden könnten.

Von einer Kollegin aus Wien, die bei der Renaturierung des Liesenbachs verantwortlich ist, erhielt ich die Anfrage zur Weiterführung im Rahmen des EU-geförderten Projekts in Berlin. Ich werde den Kontakt mit den zuständigen Kollegen von der Senatsverwaltung herstellen.

Der Austausch nach Wien hat mir viel eingebracht. Ich habe meinen Blick erweitern können, viele sehr nette Kolleginnen und Kollegen getroffen und neue Kontakte knüpfen können. Ich kehre mit Motivation für die eigene Arbeit zurück und hoffe, dass eine Vernetzung zwischen unseren Verwaltungen bestehen bleiben wird.