Herzlich willkommen! Mein Name ist Oliver Schruoffeneger und ich bin Stadtrat für Ordnung, Umwelt, Straßen und Grünflächen. Ich begrüße Sie alle recht herzlich zu unserem zu unserem 261. Kiezspaziergang.
Wie immer im November soll es auch in diesem Jahr vor allem um die Geschichte der jüdischen Bürgerinnen und Bürger in unserem Bezirk und um die Geschichte des Nationalsozialismus gehen.
Vorweg möchte ich Ihnen noch den Hinweis auf den nächsten Kiezspaziergang geben: Am Samstag, 14. Dezember widmet sich Bezirksstadtrat Arne Herz der Kantstraße und führt Sie von den Kantgaragen zum Breitscheidplatz. Der Treffpunkt ist um 14 Uhr an den Kant-Garagen.
Am 9. November gedenken wir eines dunklen Kapitels der deutschen Geschichte – der Reichspogromnacht. Der Begriff „Pogrom“ kommt aus dem Russischen und entstand in den 1880er-Jahren im Zarenreich während der Massaker an Jüdinnen und Juden. Wörtlich übersetzt bedeutet Pogrom „Krawalle“, „Verwüstung“ oder „Zerstörung“. Dieses staatlich organisierte Gewaltverbrechen an der jüdischen Bevölkerung entfaltete sich in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 in ganz Deutschland, auch hier in Charlottenburg-Wilmersdorf. In dieser Nacht brannten Synagogen, jüdische Geschäfte wurden geplündert und zerstört, Menschen wurden verhaftet und misshandelt, Familien in Angst und Schrecken versetzt. Offiziell rechtfertigte man das Pogrom als „Vergeltung“ für ein Attentat auf einen deutschen Diplomaten in Paris. In Wahrheit nutzten die Nationalsozialisten dies als Vorwand für eine Welle der Gewalt, die die die letzte Stufe vor der systematischen Verfolgung und dem Holocaust markierte.
In Berlin lebten damals etwa 173.000 Jüdinnen und Juden, davon 54.000 in Charlottenburg und Wilmersdorf – den beiden Bezirken mit dem höchsten jüdischen Bevölkerungsanteil. Zahlreiche Menschen versuchten, der Gewalt durch Flucht zu entkommen, doch mehr als ein Drittel Berliner Jüdinnen und Juden fielen den Verbrechen der Nationalsozialisten bis 1945 zum Opfer.
Heute, 86 Jahre später, hat das Gedenken am 9.11. eine neue Dringlichkeit. Der 7. Oktober 2023 brachte einen verheerenden Anschlag auf Israel, und parallel dazu erleben wir eine Zunahme antisemitischer Übergriffe und das Erstarken rechter Ideologien. Für viele Jüdinnen und Juden ist es heute, wie damals, wieder gefährlich geworden, sich in Deutschland öffentlich zu ihrem Glauben zu bekennen. Das Erinnern an die Novemberpogrome von 1938 ist daher nicht nur ein Blick zurück, sondern ein Appell für Gegenwart und Zukunft: Nie wieder dürfen solche Verbrechen geschehen.
Unser Spaziergang führt uns heute durch Charlottenburg, einen Ortsteil, der wie kaum ein anderer für die jüdische Geschichte Berlins steht. Unser Fokus liegt heute nicht auf den Gebäuden und architektonischen Zeugen der Vergangenheit – er liegt auf den Menschen. Auf jenen, die hier gelebt, gelitten und Widerstand geleistet haben. Ihre Geschichten erzählen von einer Welt, die zerstört wurde, aber auch von der Unerschütterlichkeit menschlicher Würde. Indem wir uns heute an sie erinnern, halten wir ihre Geschichten lebendig und setzen ein Zeichen gegen das Vergessen.