Stolperstein Wilmersdorfer Straße 106

Hauseingang Wilmersdorfer Straße 106

Der Stolperstein für Rabbiner Jechiel Jacob Weinberg wurde am 18.6.2018 verlegt. Er wurde von Marc B. Shapiro, Harry and Jeanette Weinberg Chair in Judaic Studies, University of Scranton gespendet.

Stolperstein Jechiel Jacob Weinberg

HIER WOHNTE
JECHIEL JACOB
WEINBERG
RABBINER
JG.1884
FLUCHT MÄRZ 1939 POLEN
VERHAFTET 1941
IM BESETZTEN POLEN
WÜLZBURG / WEISSENBURG
BEFREIT

Jechiel Jacob Weinberg in Pilwiski, vor 1914

Jechiel Jacob Weinberg in Pilwiski, vor 1914

Jechiel Jacob Weinberg (andere Schreibweisen auch: Yechiel Yaakov Weinberg, Yehiel Yaakov Weinberg oder Jehiel Jacob Weinberg) wurde 1884 in Ciechanowizc in Polen geboren. Nach seinem Studium an zwei der führenden Talmud-Schulen (yeshivas) wurde er Rabbiner in der litauischen Stadt Pilwiski.

Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges kam er zu medizinischen Behandlungen nach Berlin und blieb dort während des Krieges. Seine Zeit in Deutschland war der große Wendepunkt seines Lebens, da er überzeugt war, dass hier seine Zukunft liegen sollte. Nach dem Krieg gab er seine Rabbinertätigkeit in Litauen auf und ließ sich dauerhaft in Deutschland – in Berlin – nieder.

Er studierte zunächst in Berlin, ging dann aber an die Universität Gießen, wo er bei dem bekannten Bibel-Gelehrten Paul Kahle sein Studium fortsetzte und Anfang der 20er Jahre seinen Abschluss als Dr. phil. machte. Danach ging er zurück nach Berlin und unterrichtete am von Esriel Hildesheimer 1873 gegründeten Rabbinerseminar zu Berlin. An diesem Seminar wurden die meisten orthodoxen Rabbiner für jüdische Gemeinden in Deutschland ausgebildet. 1924 – 1938 war er dessen Rektor. In dieser Zeit wurde er – trotz Ablehnung des Konzepts in seiner Jugend – ein wichtiger Vertreter der Neo-Orthodoxie und war als außerordentliche Autorität für jüdisches Recht in Deutschland anerkannt.

Nach der Reichspogromnacht 1938 wurde das Rabbinerseminar geschlossen. Im März 1939 wurde Weinberg aus Deutschland ausgewiesen. Viele seiner Schriften verblieben in Deutschland und gingen für immer verloren. Weinberg erreichte Warschau, als dort das Ghetto eröffnet wurde. Aus Gründen, die nicht klar sind – wahrscheinlich aufgrund seiner großen Bekanntheit und Bedeutung – wurde er 1941 im Ghetto „verhaftet“ und in ein KZ-Lager für russische Kriegsgefangene in Wülzburg bei Weißenburg in Bayern verbracht. Dort blieb er bis zum Ende des 2. Weltkrieges und wurde befreit.

Dr. Jechiel Jacob Weinberg übersiedelte nach Montreux in der Schweiz, wo er 1966 starb. In den Nachkriegsjahren wurde er als eine der weltweit führenden Autoritäten für jüdisches Recht anerkannt und gilt heute als eine der wichtigsten Rabbiner-Persönlichkeiten des 20sten Jahrhunderts.

Recherche und Text: Gisela Morel-Tiemann aufgrund von Angaben von Prof. Marc B. Shapiro, der eine Biographie über Rabbiner Weinberg geschrieben hat: Marc B. Shapiro: Between the Yeshiva World and Modern Orthodoxy. The Life and Works of Rabbi Jehiel Jacob Weinberg, 1884–1966. 1. Auflage. Littman Library, London / Portland (Or.) 1999, ISBN 1-874774-52-8 (2002 erschien die 2. Auflage, ISBN 1-874774-91-9).
Weitere Quellen: Jüdisches Adressbuch Berlin,
https://rabbinerseminar.de/personlichkeiten/