Stolpersteine Kurfürstendamm 100

Hausansicht Kurfürstendamm 100

Hausansicht Kurfürstendamm 100

Die Stolpersteine für Michael und Gitla Hachnochi wurden am 24.9.2008 verlegt, für Liliane und Colette Hachnochi am 9.4.2010.
Da die Adresse Kurfürstendamm 99 nicht mehr existiert, wurden sie vor dem Haus Kurfürstendamm 100 an der Ecke Hektorstraße verlegt. Die anderen fünf Stolpersteine sind an der Ecke Kaiser-Friedrich-Straße am Eingang des Seniorenheims verlegt worden. Das ehemalige Wohnhaus wurde zerstört und ist abgerissen worden.

Stolperstein für Michael Hachnochi

Stolperstein für Michael Hachnochi

HIER WOHNTE
MICHAEL HACHNOCHI
JG. 1902
FLUCHT FRANKREICH
INTERNIERT
DEPORTIERT 1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Michael Hachnochi, dessen Vorname auch mit Mischa oder Moshe angegeben wird, ist 1902 in Berlin geboren. Das Geburtsdatum ist nicht bekannt. Die Eltern waren Leibel, der sich auch Leo oder Leon nannte, und Ester Hachnochi, die Eigentümer des Hauses Kurfürstendamm 99 waren. Der Vater, ein Fabrikbesitzer, ist 1932 gestorben, danach war seine Witwe eingetragen und ab 1934 eine Grundstücksgesellschaft mbH.

Als Beruf Michaels wurde meistens Kaufmann genannt, sein Neffe Arie Hachnochi will allerdings wissen, der Onkel sei Cellist gewesen. Tatsächlich stand im Adressbuch auch „Musiker“. Im Adressbuch 1931 war er mit der Anschrift Kurfürstendamm 99 eingetragen, 1934 allerdings nicht mehr. Also ist er wohl 1933 bald nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten geflüchtet. Als Wohnsitz wurde Paris angegeben.

Stolperstein für Gitla Hachnochi

Stolperstein für Gitla Hachnochi

HIER WOHNTE
GITLA HACHNOCHI
GEB. MELBER
JG. 1904
FLUCHT FRANKREICH
INTERNIERT
DEPORTIERT 1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Gitla Hachnochi geb. Melber (Melver) ist 1904 – auch ihr Geburtsdatum ist wie das ihres Mannes unbekannt – in Dobromil in Galizen geboren. Ihre Eltern hießen mit Vornamen Shmuel und Dina. Wann und warum sie nach Berlin kam, ist nicht überliefert. Jedenfalls lernte sie einen jungen Mann kennen, den Kaufmann und Musiker Michael Hachnochi, dessen Eltern am Kurfürstendamm 99 wohnten. Sie heirateten und Gitla Hachnochi zog dort ein. Ihre Tätigkeit wurde von der Verwandtschaft mit „Hausfrau“ angegeben.

Schon zu Beginn der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft entzogen sie sich der Judenverfolgung durch Flucht und ließen sich – wahrscheinlich 1933 – in Paris nieder. Dort kamen ihre Kinder zur Welt: Liliane Hachnochi, die am 10. April 1935 geboren wurde, und Colette Hachnochi, die am 15. November 1937 geboren wurde.

Sie hatten sich sicher gefühlt. Aber nach der Besetzung Frankreichs durch die deutsche Wehrmacht wurden auch hier alle Juden verfolgt. Die vier Hachnochis sind – wahrscheinlich nach einer Razzia am 16. und 17.7.1942 – in das Internierungslager Pitiviers gebracht und am 21. oder 24. August nach Auschwitz deportiert worden. Das Datum auf den Stolpersteinen ist wohl ungenau, denn an diesem Tag (am 22.8.) fuhr kein Zug.

In der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem liegen Gedenkblätter für Michael und Gitla Hachnochi: eins aus dem Jahr 1955 von seiner Tate Pnina Rotem, eins von dem Verwandten Menashe Hachnochi aus dem Jahr 1957, zwei von Gilas Bruder und Michaels Schwager Gershon Melver, und ein weiteres von einem Neffen Arie Hachnochi aus dem Jahr 1999.

Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf
Quellen: Bundesarchiv; Adressbücher; Deportationschronologie.

Stolperstein für Colette Hachnochi

Stolperstein für Colette Hachnochi

COLETTE HACHNOCHI
GEB. 1937 IN PARIS
INTERNIERT PITIVIERS
DEPORTIERT 22.8.1942
AUSCHWITZ
ERMORDET

Stolperstein für Liliane Hachnochi

Stolperstein für Liliane Hachnochi

LILIANE HACHNOCHI
GEB. 1935 IN PARIS
INTERNIERT PITIVIERS
DEPORTIERT 22.8.1942
AUSCHWITZ
ERMORDET

Stolperstein Anna Margarete Friedländer

Stolperstein Anna Margarete Friedländer

HIER WOHNTE
ANNA MARGARETE
FRIEDLÄNDER
JG. 1883
DEPORTIERT 14.7.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 16.5.1944
AUSCHWITZ

Stolperstein Fritz Gumpel

Stolperstein Fritz Gumpel

HIER WOHNTE
FRITZ GUMPEL
JG. 1904
FLUCHT 1939
SCHWEIZ / MONACO
INTERNIERT DRANCY
DEPORTIERT 10.8.1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein Cecilie Kühnberg

Stolperstein Cecilie Kühnberg

HIER WOHNTE
CECILIE KÜHNBERG
GEB. BÖHM
JG.1855
DEPORTIERT 17.3.1943
THERESIENSTADT
ERMORDET 26.3.1943

Cecilie Kühnberg geb. Böhm wurde am 10. Juli 1855 in Cosel (Oberschlesien, heute: Koźle) geboren.
Mit ihrem Sohn Felix, der am 5. August 1885 in Breslau geboren ist, wohnte sie in Berlin am Kurfürstendamm 99. Vor ihrer Deportation wurde sie gezwungen, gemeinsam mit dem damals immerhin schon bald 60-jährigen Sohn in die Hohenstaufenstraße 56 umzusiedeln. Die Prachtstraße Kurfürstendamm sollte, so mochten es die nationalsozialistischen Stadtplaner, „judenfrei“ sein.

Am 17. März 1943 ist Cecilie Kühnberg vom Güterbahnhof Moabit in einem mit 1286 Menschen voll besetzten Zug, von denen 221 den Holocaust überlebten, nach Theresienstadt deportiert worden. Nur wenige Tage später, am 26. März 1943, ist sie umgebracht worden. Die Todesbescheinigung existiert nicht mehr. Cecilie Kühnberg starb im Alter von 87 Jahren.

Text: Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf

Stolperstein Felix Kühnberg

Stolperstein Felix Kühnberg

HIER WOHNTE
FELIX KÜHNBERG
JG. 1885
DEPORTIERT 19.2.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Felix Kühnberg wurde am 5. August 1885 in Breslau geboren. Er war nicht verheiratet und wohnte zusammen mit seiner uralten Mutter Cecilie Kühnberg (geboren 1855) am Kurfürstendamm 99. Zuletzt musste er aus dem herrschaftlichen Wohnhaus am Kudamm –er stand allerdings nicht im Adreessbuch – in die Hohenstaufenstraße 56 umziehen, wohin er seine Mutter mitnahm.
Als er 58 Jahre alt war, ist er am 19. Februar 1943 vier Wochen vor seiner Mutter, die nach Theresienstadt gebracht worden war, nach Auschwitz deportiert worden, wo er ermordet wurde.

Text: Stolpersteine-Initiative

Stolperstein Berta Erdsiek

Stolperstein Berta Erdsiek

HIER WOHNTE
BERTA ERDSIEK
GEB. KOWALSKY
JG. 1873
DEPORTIERT 18.6.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 19.4.1944

Man traf sich oft und gern – die Familie, die Freunde, die Künstler. In der herrschaftlichen Wohnung am Kurfürstendamm 100. Die „Amtsgerichtsratswitwe“ Berta Erdsiek wohnte hier zwischen geschnitzten Möbeln, ledernen Sesseln, Chaiselongues und Gemälden. Schräg gegenüber dem neuen, avantgardistischen, von Erich Mendelsohn erbauten Theater „Schaubühne“ und nicht weit vom Amüsierviertel am Halensee – der Kurfürstendamm war in wenigen Jahren zum neuen Berliner Boulevard geworden, obwohl er bis 1920 in den damals noch selbständigen Großstädten Charlottenburg und Wilmersdorf lag. Wann genau Berta Erdsiek in das prächtige Haus einzog, ist unklar. Sicher nicht vor 1932, das belegen die alten Adressbücher. Im Jahr 1935 gab es dann eine „Vermögenserklärung“ der „Berta Sara Erdsiek“ für die Wohnadresse Kurfürstendamm 100. „Tante Spohn“ nannten ihre jüngeren Verwandten liebevoll die damals gut situierte Witwe. Was dieser Kosename bedeutete, wusste niemand in der großen Familie. Auch heute in Berlin lebende Nachkommen rätseln weiter darüber. Vielleicht etwas Jiddisches? Etwas aus der alten Heimat nahe dem Kurischen Haff?

Sarah und Isaak Kowalski 1905 in Tilsit.

Das jüdische Leben in Ostpreußen war im 19. Jahrhundert sehr stark von den Inputs aus der litauischen Nachbarschaft beeinflusst. Jüdische Bewohner aus den litauischen Shtetls in der Nähe der ehemaligen Grenzregion kamen oft nach Ostpreußen herüber. Sie hatten Geschäfte auf der anderen Seite oder besuchten ihre Verwandten. Der am 23. Februar 1848 geborene Kaufmann Isaak Kowalski – Bertas Vater – stammte aus dem litauischen Wystiten. In Tilsit avancierte er zum Gutsbesitzer und Kaufmann. Mit seiner Frau Sarah, geborene Krohn, zog er später nach nach Labiau (russ.: Polessk) nordöstlich von Königsberg.

Die israelitische Gemeinde des Landkreises Labiau hatte etwa 130 Mitglieder und es gab es eine Synagoge. Viele Juden wanderten weiter nach Westen bis nach Berlin. Isaak Kowalski erreichte am 11. April 1900 seine Einbürgerung in Ostpreußen. Da war seine Tochter Berta bereits 27 Jahre alt. Die am 18. Januar 1873 geborene Berta hatte keinen Beruf erlernt. Mit 33 Jahren heiratet sie den 46-jährigen Amtsgerichtsrat Johannes Erdsiek (* 17. Juli 1860). Am 20. August 1906 wird die Ehe auf dem Standesamt „Berlin XII a“ geschlossen. Ob es auch eine jüdische Hochzeitszeremonie gab? Wohl eher nicht, denn Erdsiek gehörte der evangelischen Kirche an. Einer der beiden Trauzeugen hieß Max Jacobsohn und war Rechtsanwalt.

Bernhard Heinrich Gottlob Johannes Erdsiek stammte aus einer Pfarrersfamilie in Halle an der Saale. Die Eltern zogen später in den Kreis Labiau. Johannes Erdsiek (*17.Juli 1860) und sein Bruder wurden dort geboren. Johannes studierte Rechtswissenschaft und machte später eine Karriere als Amtsgerichtsrat in Berlin-Wedding. Sein jüngerer Bruder Gustav wurde Kaufmann und betrieb in Berlin einen Flachs- und Hanfhandel. Die Wohnadresse des Amtsgerichtsrats war erst die Paulstraße 15 nahe dem Schloss Bellevue. Direkt nach der Heirat zieht das Ehepaar Erdsiek in die Mommsenstraße 22. Ab dem Jahr 1910 ist diese Anschrift in den Adressbüchern zu finden. Nach vierzehn Ehejahren, am 10. Januar 1921, stirbt Johannes Erdsiek mit 60 Jahren. Die kinderlose Berta ist nun fast 48 Jahre alt und muss ihr Leben neu ordnen.

Berta Erdsiek mit Großnichte Antonie Lauterstein 1937 vor dem Haus Kurfürstendamm 100

Finanziell ist das erst mal kein großes Problem. Berta kann in der großen herrschaftlichen Wohnung bleiben. Sie bezieht eine Witwenpension von 2400 Reichsmark. Anfang der dreißiger Jahre zieht sie nach Halensee, Kurfürstendamm 100. Warum? Wir wissen es nicht. Denn die neue Wohnung ist ebenso „herrschaftlich“ wie die alte. Berta kümmert sich liebevoll um ihre Verwandten. Einige von ihnen wohnen in der Schlüterstraße 72. Die besondere Fürsorge der Witwe gilt ihrer 1896 in Mehlauken/Kreis Labiau geborenen Nichte Margot, der Tochter ihrer Schwester Gertrud, die mit dem jüdischen Kaufmann Max Lauterstein verheiratet war. Doch Tochter Margot ist keine „Volljüdin“. Sie entstammt einer außerehelichen Beziehung ihrer Mutter. Der „arische“ Kaufmann Ernst Glowienka gab das kurz vor seinem Tode – noch während der Nazi-Zeit – zu Protokoll. Ein vermutlich lebensrettendes Geständnis. Ein mit der Familie Lauterstein befreundeter Notar schreibt 1947: „Diese Ermittlungen habe ich im Jahre 1936 angestellt, um den Nachweis erbringen zu können, dass Frau Margot Wegner nicht Volljüdin, sondern Mischling war, sodass sie vor den schwersten Anfeindungen geschützt werden konnte.“ Margot wächst zeitweise Teil bei ihrer Tante Berta auf, in späteren Dokumenten wird sie als „Pflegetochter“ bezeichnet. Margot, inzwischen katholisch getauft, heiratet den Rechtsanwalt Paul Wegner, der 1930 stirbt. Ihre beiden Söhne werden als deutsche Soldaten eingezogen, nur einer überlebt.

Nichte Margot Lauterstein 1912 in Tilsit

Als Berta im Jahr 1921 zur Witwe wird, ist ihre Nichte Margot 25 Jahre alt. Die junge Frau hat keinen Beruf erlernt, war von 1919 bis 1930 Ehefrau, arbeitete Ende der zwanziger Jahre eine Zeitlang als Stenotypistin beim „Deutschen Beamten-Genossenschaftsverband e.V.“ und betrieb bis 1933 eine kleine Leihbücherei. Berta unterstützt ihre Nichte, so gut sie kann, vererbt ihr 1929 testamentarisch ihr gesamtes Vermögen, ihre Pensionsansprüche und ihre Lebensversicherung. Doch die über alles geliebte Nichte wird nie etwas davon bekommen, auch später – nach dem Krieg – nicht. Sie möchte wieder eine Familie gründen, doch die Machtübernahme der Nazis verhindert die Ehe mit einem „Arier“. Im Oktober 1933 wird Margots Tochter Antonie daher unehelich geboren, die Mutter der heute in Berlin lebenden Ilona Seedorf. Erst im Jahr 1958 wird die „Verbindung“ von Antonies Eltern offiziell als „Ehe“ anerkannt werden.

Berta verstärkt ihre Bemühungen, ihre Nichte Margot finanziell abzusichern. Vereinbart am 31. Oktober 1941 notariell eine Schenkung über ihr Vermögen. Es ist zu spät. Nur neun Monate später, im Juni 1942, verfügen die Nazi-Behörden den Einzug ihres gesamten Vermögens. Da war die 69jährige Berta bereits aus dem Haus am Kurfürstendamm getrieben und mit einem Lastwagen in das Sammellager Große Hamburger Straße 26 gekarrt worden. Am 18. Juni 1942 wurde sie mit dem Zug ins Ghetto Theresienstadt gebracht. Dort musste sie noch zwei Jahre unter grausamen Umständen verbringen. Am 19. April 1944 verstarb Berta Erdsiek. „Meine ‚Tante Spohn‘ mit dem riesigen Herzen blieb immer unvergessen“, sagt ihre Urgroßnichte Ilona Seedorf, „bei meiner Oma, meiner Großtante und besonders bei meiner Mutter, die über das Trauma ihrer Ermordung nie hinwegkam.“

Recherche und Text: Gudrun Küsel

Quellen: Berliner Adressbücher, Entschädigungsamt Berlin, Interview mit Ilona Seedorf, jewsineastprussia.de, Rede der Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen zum Jubiläum der Pro Seniore Residenz Kurfürstendamm 100 am 01.02.2011, Yad Vashem, Ancestry: evangelische Kirchenbücher Halle und Saale 1760-1890.

Stolperstein Johanna Jarecki

Stolperstein Johanna Jarecki

HIER WOHNTE
JOHANNA JARECKI
GEB. JAFFE
JG. 1873
DEPORTIERT 18.6.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 28.1.1943