HIER WOHNTE
EVA JAFFÉ
JG. 1866
DEPORTIERT 1942
THERESIENSTADT
ERMORDET IN
TREBLINKA
Eva Jaffé kam am 6. März 1866 im westpreußischen Deutsch Krone (heute Wałcz/Polen) auf die Welt. Sie war die Tochter des jüdischen Lehrers Markus Jaffé (1832–1904) und seiner Frau Henriette, geb. Michel (1837–1922). Die Eltern stammten aus der Kleinstadt Nakel an der Netze (heute Nakło nad Notecią/Polen) – mag sein, dass sie sich schon lange kannten.
Das Leben von Eva Jaffé hat keine sichtbaren Spuren hinterlassen: Sie blieb ledig, war wohl ohne Beruf und scheint nie einen eigenen Haushalt besessen zu haben – das damals übliche Schicksal der meisten unverheirateten Töchter. Das heißt nicht, dass Eva Jaffé untätig gewesen sein muss: Aber über die möglichen und standesgemäßen Ehrenämter in Gemeinde und Stadt war ebenfalls nichts zu finden. So wird hier vor allem über ihre Eltern und ihre Geschwister berichtet, deren Leben sie teilte.
Der Vater Markus (eigentlich Mordechai) Jaffé stammte aus einer alten Rabbinerfamilie. Er war Lehrer, und sein Beruf ließ ihn und die Familie im damaligen Westpreußen von einem Ort zum anderen ziehen: von Thorn (Toruń) über Danzig (Gdańsk) nach Jastrow im Kreis Deutsch Krone (heute Jastrowie/Polen) und schließlich nach Deutsch Krone selbst. In der idyllischen Kleinstadt inmitten von Wäldern und Seen lebte Eva Jaffé viele Jahre.
Sie hatte sieben Geschwister. Ein Bruder und eine Schwester starben bereits kurz nach der Geburt, die anderen wuchsen in Deutsch Krone auf und lebten später in Berlin. – Ein Blick in die Zukunft: Die Schwestern Bertha (1861–?) und Anna (1870–1897) sollten die Brüder Max und Eugen Herzberg heiraten und Kinder bekommen. Ledig blieben die ein Jahr nach Eva geborene Pauline/Lina (1867–1942) und die ältere Schwester Selma (1862–1935), die Lehrerin geworden war und zwischen 1920 und 1930 als „Anstandsautorin“ eine Reihe von Büchern über das richtige Benehmen veröffentlichte. Ebenfalls bekannt wurde der Bruder Ernst (1873–1916), der als Kunsthistoriker und Redakteur in Berlin leben sollte und 1912 die Studentin Hertha Lewin (1886–1988) heiratete. (Seit 1908 konnten die Frauen in Preußen als ordentliche Studierende die Universitäten besuchen.)
Im Jahr 1900 wurde der Vater pensioniert, und die Eltern zogen (wohl mit den unverheirateten Töchtern) nach Berlin. Sie lebten in den folgenden Jahren in der Lessingstraße im bürgerlichen Tiergarten. Dort hatten bereits für einige Jahre die verheirateten Schwestern von Eva Jaffé mit ihren Familien gewohnt. – Allerdings findet sich im Berliner Adressbuch eine Eva Jaffé, die in der Lessingstraße 17 ein „Warenhaus“ führte. Eine Spur, die sich leider verliert …
In der Familie war Eva Jaffé als eine der Tanten wohl neben der Mutter für die Kinder eine wichtige Bezugsperson. Ihre Nichten und Neffen: die fünf/vier Töchter der Schwester Bertha, die Tochter der früh verstorbenen Schwester Anna und deren Bruder aus der 2. Ehe des Schwagers sowie die beiden Söhne von Ernst und Hertha Jaffé.
1904 starb der Vater. Die ledigen Töchter lebten in den folgenden Jahren mit der Mutter und nach deren Tod gemeinsam ohne sie. Nur Selma, die Schriftstellerin, besaß für kurze Zeit eine eigene Wohnung. Eva und Pauline blieben weiterhin ohne eigenen Haushalt.
Kurz vor dem Ersten Weltkrieg zogen die Töchter mit der Mutter in die Schaperstraße 35. 1916 starb der Bruder Ernst Jaffé, und seine Witwe gehörte mit zwei kleinen Söhnen nun auch zu den alleinstehenden Frauen der Familie. Die Mutter starb 1922, da lebte sie mit den drei unverheirateten Töchtern in der Passauer Straße 26. 1929 starb der Schwager Max Herzberg, und auch die Schwester Bertha war nun allein. Die unverheirateten Schwestern blieben bis Anfang der 1930er-Jahre in der Passauer Straße und zogen dann in die Bamberger Straße 38 im Bayerischen Viertel. 1935 starb Selma Jaffé. Sie war der „Haushaltsvorstand“ gewesen. – Die Schwester Pauline blieb in der Bamberger Straße. Eva Jaffé zog zum 1. März 1935 (?) in die Landhausstraße 44, wo sie im 2. Stock des Gartenhauses wohnte. Wiederum lebte sie als Untermieterin, zuletzt bei der 1876 geborenen Gertrud Gottschalkson, die vorher mit ihren Geschwistern in Schöneberg gewohnt hatte. Sie besaß noch ein wenig
Geld auf einem Konto bei der Deutschen Bank und Wertpapiere, die später eingezogen wurden.
Am 12. August 1942 wurde Eva Jaffé vom Anhalter Bahnhof aus nach Theresienstadt deportiert. (In demselben Transport befanden sich auch Dr. Arthur und Selma Oppenheim, die im Parterre des Gartenhauses gewohnt hatten. Arthur Oppenheim war Arzt in Deutsch Krone gewesen. Vielleicht waren sie sich dort begegnet, auf jeden Fall teilten sie die Erinnerungen.) Von den 100 Deportierten überlebten nur vier. Eva Jaffé gehörte zu denjenigen, die schon am 26. September 1942 weiter in das Vernichtungslager Treblinka verschleppt und dort ermordet wurden.
Die Wohnung in der Landhausstraße 44 wurde am 8. Oktober 1942 geräumt. Möbel und Inventar kaufte der Möbelhändler Walter Zenk, der ein Geschäft für alte und neue Möbel an der Krummen Straße/Ecke Schillerstraße besaß. Die Vermieterin Gertrud Gottschalkson war am 14. September 1942 nach Theresienstadt deportiert worden und wurde 1944 in Auschwitz ermordet.
Die Schwester Pauline ging denselben Weg wie Eva Jaffé: Am 15. September 1942 wurde sie nach Theresienstadt deportiert und von dort am 29. September nach Treblinka. Die verwitwete Schwester Bertha Herzberg konnte 1937 nach Großbritannien emigrieren. In Theresienstadt kam 1943 Evas Schwager Eugen Herzberg um, Witwer der schon lange toten Schwester Anna. Ein Stolperstein erinnert an ihn in der Nassauischen Straße 54. Evas Nichte Ilse wurde 1943 mit Ehemann Walter Weile in Auschwitz ermordet. Für das Ehepaar gibt es Stolpersteine in der Wielandstraße 17.
Die Schwägerin Hertha Jaffé, Witwe des Bruders Ernst, konnte 1936 mit ihrem Sohn Fritz (1915–1989) nach Palästina entkommen, wo Sohn Hans Mordechai (1913–1968) seit 1935 lebte. Sie wurde über 100 Jahre alt und starb 1988 im Kibbuz Yifat.
Quellen:
Berliner Adressbücher
Berliner Telefonbücher
BLHA Brandenburgisches Landeshauptarchiv
Gedenkbuch Bundesarchiv
Alfred Gottwaldt/Diana Schulle: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich, Wiesbaden 2005
HU Datenbank jüdischer Gewerbebetriebe in Berlin 1930-1945
Landesarchiv Berlin, WGA
Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen/über ancestry
Moritz Stern, Der Schweriner Oberrabbiner Mordechai Jaffé, Seine Ahnen und seine Nachkommen, Berlin 1933 (digitalisiert)
https://www.geni.com/people/
“https://www.juedische-gemeinden.de“https://www.juedische-gemeinden.de
https://www.mappingthelives.org/
http://www.holocaust.cz/opferdatenbank/
https://www.statistik-des-holocausts.de
http://blankgenealogy.com/
Dr. Dietlinde Peters, Vorrecherchen Nachlass von Wolfgang Knoll
Von der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin