Thema des Monats Mai 2017

Sexistische Werbung verbieten?

Tief ausgeschnittene Dekolletés und spärlich bekleidete Frauen – auf Werbeplakaten
keine Seltenheit. „Sex sells“ ist ein altbekannter Grundsatz der Branche.
Der anzüglichen Werbung möchte der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg einen
Riegel vorschieben und hat sexistische Werbung auf bezirkseigenen Flächen
verboten. Soll das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf folgen? Lesen Sie
die Stellungnahme der BVV-Fraktionen.

SPD-Fraktion

Die SPD-Fraktion Charlottenburg-Wilmersdorf begrüßt den Vorstoß aus Friedrichshain-Kreuzberg und arbeitet gerne mit anderen Fraktionen gemeinsam an einem entsprechenden Antragsentwurf.
Holger Wuttig

CDU-Fraktion

Wer die ernsten Probleme nicht lösen kann, sucht sich stattdessen neue. So setzte 2014 die BVV Friedrichshain-Kreuzberg die Thematik „Sexistische Werbung im Bezirk verbieten“ weit oben auf die Prioritätsliste. Das Ergebnis war ein Verbot von ganzen vier bezirkseigenen Werbeflächen mit der Hoffnung, dass auch der Privatsektor sich daran ein Beispiel nehmen würde – Fehlanzeige. Im Abgeordnetenhaus stellten die Grünen einen ähnlichen Antrag – abgelehnt. Dieser Antrag folgte offenkundig nur der Intention einer Umerziehung und Bevormundung der Bürgerinnen und Bürger, notfalls auch durch Verbote, wie wir es aktuell maßgeblich durch den Berliner Senat erleben. Sicherlich ist das Bewerben von Produkten mithilfe sexistischer Inhalte nicht mehr zeitgemäß. Das Problem liegt in der Botschaft der Bilder, auf welchen Frauen und Männer im alltäglichen Leben klischeehaften Vergleichen unterworfen werden. Doch hier hat weder der Staat, noch die Politik das Recht, in den freien Werbemarkt einzugreifen. Stattdessen muss ein Umdenkprozess bei den Werbeagenturen
und Unternehmen stattfinden, der auf gesellschaftlicher Ebene initiiert wird. An dieser Stelle werden uns also Verbote zweifellos nicht weiterhelfen!
Simon Hertel

B‘90/Grünen-Fraktion

Was ist sexistische Werbung? Wenn die Dame in Unterwäsche nicht für den BH,
sondern für den Stuhl im Bild wirbt. Werden Frauen schwach dargestellt, als
Dekoration und sexuell verfügbar, wird es Mädchen und Frauen schwergemacht,
ein starkes Selbstbewusstsein aufzubauen. Denn Werbung festigt Geschlechterrollenstereotype. Seit 2014 wird von der Bundesregierung gefordert, geschlechterdiskriminierende Werbung gesetzlich zu regulieren. Viel ist seitdem nicht passiert, außer dass mehr Menschen über Sexismus in der Werbung diskutieren.
Der Bezirk Friedrichshain geht mit positivem Beispiel voran, wenn er sich für ein
zeitgemäß vermitteltes Frauenbild in der Werbung einsetzt.
Dr. Zitha Poethe-Elevi

FDP-Fraktion

Im Straßenbild gibt es vieles, das uns aufregen sollte: Vermüllte Parks und Plätze, Auto- und Radfahrer, die sich an keinerlei Regeln halten oder die steigende Kriminalitätsrate. Für all dies brauchen wir ein engagierteres staatliches Vorgehen – aber nicht beim Kampf gegen vermeintlich sexistische Werbung. Werbung muss nicht jedem gefallen. Sollte sie aber deshalb verboten werden? Natürlich nicht. Wir können schlechte oder provozierende – und ja, sogar sexistische – Werbung aushalten. Für alles, das darüber hinaus geht, Menschen herabwürdigt oder schwer beleidigt, gibt es bereits ausreichende Rechtsmittel. Es ist nicht die Aufgabe der Politik die Bürgerinnen und Bürger zu erziehen basierend auf dem, was ein paar Personen für tugendhaft halten. Wir müssen keine Plakatpolizei durch die Straßen schicken und auch nicht den Nannystaat einfordern. Früher haben Linke gegen eine spießige
Sexualmoral gekämpft, heute geht es gegen Plakatwände. Freie Demokraten hingegen wollen Verbote verbieten und setzen auf mündige Bürgerinnen und Bürger. Werbung ist frei und durch die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit geschützt. Beschädigen wir unsere Freiheit nicht durch Symbolhandeln ohne nachhaltige Wirkung.
Pascal Tschörtner

AfD-Fraktion

Geht es wirklich darum, Frauen vor Diskriminierung durch bestimmte Werbung im öffentlichen Raum zu schützen? Ist das Ganze nicht bloß ein wohlfeiles Entrüstungsritual, um darüber hinwegzutäuschen, dass man die wirklich wichtigen Themen nicht angeht? Wo sind denn die aufgebrachten Stimmen gegen die Unterdrückung der Frau im Islam – hier mitten in unserem Land? Wie schützt man Frauen vor immer häufiger werdenden sexuellen Übergriffen – gerade auch durch Zuwanderer? Genügt es, ihnen zu raten, immer eine Armlänge Abstand zu halten? Geht es den rot-grünen Belehrungs- und Verbotsexperten nicht vielmehr um Zensur? Stürzt man sich heute auf „frauenfeindliche“ Werbung, um dann morgen Literatur, Film und Kunst „zu reinigen“? Und wer definiert überhaupt, was „sexistisch“ ist und was nicht? Sollen Freiheit und Freizügigkeit (auch wenn diese manchmal an die Schmerzgrenze geht), aus dem öffentlichen Raum vertrieben werden? Sollen unsere Lebensart und Kultur im Käfig der Politischen Korrektheit verkümmern oder gar passend gemacht werden für eine religiöse Gesinnungsdiktatur, die nicht zu Deutschland gehört?
Michael Seyfert

Linksfraktion

Wir alle kennen das: Nackte Frau, großer Busen, kaltes Bier. Harmlos? Nein, Sexismus! Ein Gewaltverhältnis, das in unsere sozialen Geschlechtsidentitäten eingeschrieben ist – direkt, wenn das „Nein“ von Frauen* übergangen wird, aber auch subtil, wenn die Arbeit von Frauen* schlechter oder gar nicht bezahlt wird und sie in Armut und Abhängigkeit leben müssen. Sexismus drückt sich in Darstellungen davon aus, wie Frauen* sind oder angeblich zu sein haben. Schon früh lernen Frauen* durch sexistische Werbungen, dass sie nicht dünn, weiß oder sexy genug aussehen. Geschlechterdiskriminierende Werbung hat nicht nur Auswirkungen auf das Bild, was wir von anderen haben. Es beeinflusst auch, wie wir andere behandeln und wirkt sich auf die eigene körperliche Selbstwahrnehmung und das Selbstwertgefühl aus. Sexismus schadet der Gesundheit! Auf allen bezirkseigenen Flächen muss die Präsentation sexistischer Inhalte unterbunden werden. Nur dort? Das Verbot muss bundesweit, besser international gelten. Auf allen (!) Flächen im öffentlichen Raum müssen sexistische, rassistische oder anders diskriminierende Werbungen verboten werden – egal, wem die Fläche gehört. Menschenwürde steht vor Eigentum. Wir streiten weiter: Feministisch-sozialistisch!
Niklas Schenker