Thema des Monats September 2008

Die Wildschweinplage und kein Ende?

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Wildschweine, Foto: Derk Ehlert, Jagdreferent des Landes Berlin

Wildschweine, Foto: Derk Ehlert, Jagdreferent des Landes Berlin

Die Wildschweinpopulation in den Berliner Wäldern nimmt seit Jahren zu, und immer häufiger richten Wildschweine auch in der Stadt, etwa auf Friedhöfen oder in Vorgärten, Verwüstungen an. In Charlottenburg-Wilmersdorf sind vor allem die Siedlungen in der Nähe des Grunewaldes, Eichkamp, Heerstraße und Westend betroffen. Die Parteien haben unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie die Bekämpfung der Plage erleichtert werden könnte.

SPD-Fraktion

Natürlich ist es ärgerlich, wenn Wildschweine Vorgärten und Rasenflächen umgraben. Auch verhalten sich die Tiere, vor allem wenn Frischlinge dabei sind, nicht immer friedlich. Dennoch ist bei der Wahl der Mittel Augenmaß angezeigt. Gerade die hohen Abschusszahlen (mehr als 1500 erlegte Tiere im letzten Jagdjahr) in Berlin zeigen, dass die Förster genug unternehmen. Zudem ist fraglich, ob noch höhere Abschüsse oder eine Aufrüstung der Jäger das Problem wirklich lösen können.
Das Problem der Wildschweine im Stadtgebiet ist zu einem nicht geringen Teil vom Menschen verursacht. Die Tiere suchen in Wohngebieten vor allem nach Nahrung. Anwohner sollten daher etwa durch schwer zu erreichende Mülltonnen und Komposthaufen den Tieren die artfremde Nahrungsaufnahme erschweren. Eine bessere Umzäunung des Grundstückes kann hier Abhilfe bringen. Problematisch ist aber auch das gut gemeinte Füttern der Tiere durch Waldbesucher. Den Tieren muss der Anreiz genommen werden, sich im Stadtgebiet zu bewegen. Das löst das Problem am ehesten.
Robert Wolf

CDU-Fraktion

Nicht jeder hat wie die berühmten Comic-Helden Asterix und Obelix die Wildschweine zum Fressen gerne. Als Rotten von Ferne und in Wildgehegen sind sie putzig, aber schlimm, wenn sie sprichwörtlich die Sau herauslassen und Grünanlagen verwüsten. Nachdem sie die Menschenscheu in der Stadt verloren haben und aufgrund erhöhter Population scheint sie nichts mehr zu bremsen. Nach den Jagd- und Tierschutzgesetzen darf ihr Bestand nur in ausgewiesenen Jagdgebieten von Förstern und Jägern dezimiert werden. Ein Füttern ist verboten, wie alle Vorkehrungen zur Sicherung des Grundstücks und Vermeidung von Nahrungsanreizen durch Essensresten, Fallobst, offene Kompostanlagen etc. geboten sind. Trotzdem bleiben die Wildtiere ein Dauerthema, das man nur situationsabhängig eindämmen kann.
Ralph Schöne

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

In Siedlungs-Randbereichen und bei der Landnutzung im Grünen sollten alle einen Beitrag leisten: Wichtig ist, die Einfriedungen, Garten- und Friedhofstüren geschlossen zu halten und sich durch umsichtige Vorkehrungen vor unliebsamen Grenzüberschreitungen und Zerstörungen zu schützen. Erst gar keinen Zugang zu gewähren ist sehr wesentlich, zumal Schweine voneinander lernen. Dies belegen wissenschaftliche Untersuchungen eindrucksvoll – wie zum Beispiel aus Wolfsburg. Die dortige Bevölkerung und das Gartenamt leiden seit Jahren unter der Wildschweinplage. Ob andere Jagdmethoden helfen können, wird sich erst nach Auswertung der neuen Möglichkeiten im Jagdgesetz zeigen. Gegen einen heimischen Braten aus lokalen Wäldern haben zumindest die Nicht-Vegetarier unter den Grünen nichts einzuwenden – allerdings bitte bleifrei!
Sibylle Centgraf

FDP-Fraktion

Die Wildscheinproblematik nimmt immer weiter zu. Zwischenzeitlich finden sich Wildschweinrotten nicht mehr nur in den Gärten der Wohngebiete, sondern wurden an Ku-Damm und Alex gesichtet. Gärten werden zerstört, Hunde angegriffen und auch Menschen verletzt. Das Bezirksamt verharmlost. Bürgerproteste werden von den übrigen Fraktionen der BVV ignoriert. Gartenbesitzern wird suggeriert, dass die Probleme durch ihr Fehlverhalten entstünden, obwohl es dieses Fehlverhalten früher gegeben hat, ohne dass es solche Folgen hatte.
Es wird ignoriert, dass allein in Berlin bis zu 8.000 Wildschweine leben, sich in Brandenburg die Population in den letzten Jahren verdoppelt hat und die Überpopulation die Tiere in die Stadt drängt. Dabei legen Wildschweine in einer Nacht mehr als 40 km zurück. Gespräche mit Brandenburg mit dem Ziel der Reduzierung der Wildschweinpopulation und ein Masterplan sind dringend erforderlich! Wann handeln Senat und Bezirk endlich?
Wolfgang Weuthen

Die Linke

Hände weg von Schwarzkitteln! Berlin ist etwas Besonderes. Dazu trägt die Stadtgestalt bei: Wie ein Stern wurden die Siedlungsbänder vom Kern aus in die Natur getrieben, zwischen diesen Bändern ragt die Natur ins Stadtgebiet hinein – und so kann man überall in Berlin rasch den nächsten Grünzug, den Wald oder die umfangreiche Wasserlandschaft erreichen. Ein Stück urbaner Lebensqualität.
Und wer will und sich das leisten kann, der wohnt eben in unmittelbarer Nachbarschaft zur Natur, in den besonders begehrten und teueren Wohnlagen. Nur muss man diese – selbstgewählte – Naturnähe dann auch akzeptieren, und die “Schwarzen” (hier ausnahmsweise mal nicht politisch gemeint) gehören eben zur Natur, sind quasi die “Ureinwohner”.
Nun muss auch Schwarzwild sachgerecht bejagt werden (hier bin ich mir der politischen Bedeutung nicht ganz so sicher), aber eben waidmännisch einwandfrei, in kalten Winternächten, außerhalb der Schonzeit und ohne künstliches Licht. Tierschutz beginnt vor der eigenen Haustür.
Hans-Ulrich Riedel