Thema des Monats März 2010

Tourismusabgabe für Klima und Kultur?

Die Bezirksverordnetenversammlung diskutiert

Schillertheater, Februar 2010

Schillertheater, Februar 2010

Da die finanziellen Möglichkeiten auch für das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf immer enger werden, wird darüber nachgedacht, wie die Einnahmen gesteigert werden könnten. Eine Idee ist, Hotelübernachtungen mit einer Sonderabgabe zu belegen, die letztendlich auch dem Tourismus zugute käme. Allerdings kann ein Bezirksamt solch eine Abgabe nicht erheben. Darüber kann nur der Berliner Senat bzw. das Abgeordnetenhaus von Berlin entscheiden.

SPD-Fraktion

Der Tourismus ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für das Land Berlin, besonders für die City-West mit ihren zahlreichen Hotels. Viele Dienstleistungen sind speziell auf unsere Gäste ausgerichtet, die davon ebenso profitieren wie die Stadt selbst – in finanzieller Hinsicht wie auf emotionaler Ebene: Berlin ist in. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat mit der Umsatzsteuersenkung auf Übernachtungen im Beherbergungsgewerbe den Weg dafür bereitet, dass die Kommunen finanziell bluten müssen, ohne dass die Hotelpreise sinken. Es ist also weniger Geld für nötige Infrastrukturmaßnahmen vorhanden, die Gästen wie Einheimischen gleichermaßen zu Gute kämen. Die SPD-Fraktion begrüßt die Idee, über eine Tourismusabgabe für Klima und Kultur den schädlichen Auswirkungen des Klientel-Monopolys der Bundesregierung Einhalt gebieten zu wollen. Herr Westerwelle & Co.: Gelost haben Sie schon. Setzen Sie eine Runde aus und gehen Sie direkt in die Opposition! Bessere Umfragewerte kann man sich zum Glück noch nicht einkaufen.
Holger Wuttig

CDU-Fraktion

Eine “Tourismusabgabe für die Kultur” in Höhe von 2,50? pro Nacht und Gast, so wie es die Grünen im Bezirk fordern, ist blanker Unsinn. Abgaben, die mit keinerlei Gegenleistung verbunden sind werden als reine “Abzocke” verstanden und führen letztlich dazu, dass Touristen ihren Aufenthalt in Berlin verkürzen werden, da mit Verständnis auf Seiten der Berlinbesucher wohl kaum zu rechnen sein wird. Wenn ein Tourist ein Museum oder ein Theater besuchen möchte zahlt er schließlich dafür ein Eintrittsgeld. Mithin muss keine kulturelle Einrichtung deshalb geschlossen werden, wenn, wie es die Grünen in der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses behaupteten hatten, die Tourismusabgabe nicht erhoben würde. Eine derartige Abgabe würde dem Ansehen Berlins als Tourismusmetropole Deutschlands nachhaltig Schaden zufügen.
Karsten Sell

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Berlin ist die Hauptstadt des Tourismus – in keiner anderen europäischen Metropole lässt sich so günstig übernachten und leben wie in Berlin. Ein einzigartiges Kulturangebot, die grüne Stadt und die günstige Infrastruktur locken jedes Jahr mehr TouristInnen nach Berlin. Nur wie lange kann man diese Vorteile bei schrumpfenden Etats noch aufrecht erhalten? Weitere Haushaltslöcher sind durch die schwarz-gelbe MwSt-Senkung für Hotels bereits vorprogrammiert. Mit der von Bündnis 90/Die Grünen geforderten Tourismusabgabe wollen wir die Attraktivität der Bezirke – für TouristInnen wie EinwohnerInnen – langfristig sichern. Was von der Berliner Hotellerie für die Gäste kostenneutral umgesetzt werden könnte, kann wie in anderen Städten sinnvoll für Kultur und Klimaschutz eingesetzt werden. Damit Berlin grün und spannend bleibt.
Nicole Ludwig

FDP-Fraktion

Die “grüne” Idee einer City-Tax nach dem schlechten (Zürich) oder gescheiterten (Mallorca) Vorbild Anderer klingt verlockend, um Geld in die leere Bezirkskasse zu spülen. Der berechnete Erlös deckt zufällig das hausgemachte Defizit ab und der Effekt der Mehrwertsteuerermäßigung für Hotelübernachtungen wird konterkariert. Straßenbäume und Fahrradständer sind keine touristischen Leistungen, das örtliche Kulturangebot richtet sich an die Bürger im Bezirk; für die Opern und die Museen kommen Bund und Länder weitgehend auf, die Touristen zahlen Eintrittspreise und tragen damit zum Erhalt des Kulturangebots wesentlich bei. Anstatt unsere Gäste mit einer “Anwesenheitssteuer” zu vergraulen, müssen wir die City West noch attraktiver machen mit sauberen Bürgersteigen und Parks. Eine Zusatzfinanzierung durch Paten und Mäzene ist willkommen, aber die Hausaufgabe für strukturelles Sparen darf nicht auf den Schultern der Gäste abgeladen werden.
Dr. Wilfried Fest

Fraktion Die Linke

Klima ist die Gesamtheit aller Wetterzustände an einem Ort, Kultur alles, was der Mensch gestaltend hervorbringt. Beides wird von uns allen beeinflusst, muss also als gesellschaftliche Aufgabe gesehen werden. Das kostet Geld, das den Kommunen fehlt. Touristen dürfen nicht zur Linderung dieser Geldnot geschröpft werden. Die Verantwortlichen in den Kommunen müssen ihre Geldnot dort beheben, wo sie verursacht wird. Beim Bundes- und den Landesparlamenten. Diese Politik, die Probleme einfach weitergibt, muss beendet werden. Wir sind ihr schon zu stark erlegen. Darum ist die Frage nach einer Tourismusabgabe nur ein Zeichen der eigenen Hilflosigkeit, zeugt nicht vom Verlangen der Politik, die Interessen der Einwohner einer Kommune wirkungsvoll zu vertreten. Für DIE LINKE bedeutet Tourismusabgabe, dass man seine Gäste ausplündern will. Dies verschlechtert das Klima und legt den Begriff Kultur aus unserer Sicht falsch (zynisch?) aus.
Wolfgang Tillinger