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Berlin erwägt Kauf von Vattenfalls Fernwärmegeschäft

Vattenfall

Blick auf das Heizkraftwerk auf Erdgasbasis in Lichterfelde am frühen Morgen.

Mit einem milliardenschweren Geschäft will das Land Berlin mehr Einfluss auf die Gas- und Fernwärmeversorgung in der Stadt gewinnen.

Der Senat erwäge, sowohl das Berliner Fernwärmegeschäft von Vattenfall (Vattenfall Wärme Berlin) als auch die Anteile des schwedischen Konzerns am Berliner Energieversorger Gasag zu übernehmen, teilte das Presse- und Informationsamt des Landes am Mittwochabend mit.

Fernwärme- und Gasnetz «zusammen denken»

Berlin habe sein Interesse an einem gebündelten Erwerb bekundet. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) und weitere Senatsmitglieder hätten in einem Gespräch mit der Vattenfall- Vorstandsvorsitzenden Anna Borg die Zielsetzung des Landes verdeutlicht, «das Fernwärme- und das Gasnetz für eine effektive Wärmewende zusammen zu denken».

Beschleunigung der Energie- und Wärmewende angestrebt

«In Kooperation mit erfahrenen industriellen Partnern sollen zeitnah die Weichen für eine Beschleunigung der Energie- und Wärmewende gestellt und die strategische Weiterentwicklung vorangetrieben werden», hieß es in der Mitteilung weiter. Hierzu sei das Land in intensiven Gesprächen mit den weiteren Gasag-Anteilseignern Eon und Engie und habe bereits Eckpunkte einer gemeinsamen Zusammenarbeit definiert. Berlin strebe eine Mehrheitsbeteiligung an der Gasag an.

Durch Kauf mehr Einfluss auf Versorgungssicherheit

Giffey erklärte zu dem Vorhaben, das Land wolle «mehr Einfluss auf die Versorgungssicherheit und die Zukunft der Energie- und Wärmeversorgung in Berlin nehmen». Berlin werde nur klimaneutral, wenn auch die Wärmeversorgung modernisiert werde. «Mit seinen 1,3 Millionen Fernwärmehaushalten ist dieser Hebel für die Energiewende in Berlin von sehr großer Bedeutung.» Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) erklärte: «Eine schnelle und erfolgreiche Wärmewende ist erforderlich, damit Berlin gut durch diese Energiekrise kommt und seine Klimaschutzziele erreicht. Dafür müssen wir die vorhandenen Infrastrukturen, Energieträger und Akteure noch viel stärker zusammenbinden.»

«Mehr unmittelbare Verantwortung und Gestaltungsmöglichkeit»

Nach Einschätzung von Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos) sind die Fernwärme und Gasnetz wesentliche Bausteine auch des künftigen Berliner Energiesystems. «Das Land will mehr unmittelbare Verantwortung und Gestaltungsmöglichkeit für den Weg zur zukunftsfähigen Energieversorgung übernehmen.» Beide Politiker nahmen an dem Gespräch mit Borg teil.

Noch keine Angaben zu möglichen Kosten

Über mögliche Kosten des angestrebten Deals lagen keine Angaben vor. Die Linken-Parteispitze wies darauf hin, dass der Umbau der Wärmenetze auf erneuerbare Energie mit erheblichen Investitionen verbunden sei. «Diese sind im Kaufpreis zu berücksichtigen», hieß es in einer Erklärung der Landesvorsitzenden Katina Schubert, der beiden Fraktionsvorsitzenden Anne Helm und Carsten Schatz sowie des Vize-Regierungschefs und Kultursenators Klaus Lederer.

Senat setzt schon länge auf Rekommunalisierung der Infrastruktur

In Berlin setzt der rot-grün-rote Senat schon länger darauf, Privatisierungen der vergangenen Jahrzehnte bei der Infrastruktur rückgängig zu machen. 2021 übernahm Berlin das Stromnetz von Vattenfall. Die Wasserbetriebe sind bereits seit 2013 wieder vollständig in Landeshand. Vattenfall wiederum will erklärtermaßen eine wichtige Rolle bei der deutschen Energiewende spielen und sich von fossilen Energieträgern verabschieden. Im Mai hatte das Unternehmen mitgeteilt, dass sein Wärmegeschäft in Berlin in dem Zusammenhang auf dem Prüfstand steht. Eine Option sei ein Verkauf.

Berliner Fernwärmesystem eines der größten in Westeuropa

An das Vattenfall-Wärmenetz in Berlin sind mehrere große Kraftwerke angeschlossen, die vor allem Gas und Steinkohle verfeuern, zum Teil aber auch Biomasse einsetzen. Vattenfall beliefert in Berlin 1,3 Millionen Wohnungen mit Warmwasser und Wärme. Das Fernwärmesystem in der Hauptstadt ist eines der größten in Westeuropa. Heißes Wasser wird dabei über mehr als 1700 Kilometer lange Rohrleitungen zum Heizen in die Haushalte transportiert. Vor einigen Jahren hatte das Land Berlin versucht, das Netz von Vattenfall zu übernehmen. Der Versuch scheiterte vor Gericht.

Autor:in: dpa
Veröffentlichung: 20. Oktober 2022
Letzte Aktualisierung: 20. Oktober 2022

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