„Ich bin jeden Tag gern zur Arbeit gekommen“, sagt Simon. Fast 30 Jahre lang habe er das große Glück gehabt, die Stiftung Neue Synagoge als Centrum Judaicum aufzubauen und mit Leben zu füllen.
Meist begann sein Tag morgens gegen 7.30 Uhr und dauerte bis zum frühen Abend. Mitunter schaute er sogar sonntags kurz herein – allerdings heimlich, denn seine Frau sollte nicht erfahren, dass er schon wieder arbeitete.
Alle Briefe, in denen Menschen nach ihren Vorfahren fragten, beantwortete er zeitnah, denn das Centrum Judaicum verfügt über ein umfangreiches Archiv. Mehr als 60 Ausstellungen hat sein Team unter Simons Leitung entwickelt und umgesetzt. „Wir wollen die Geschichte der Juden in Berlin und Umgebung aufarbeiten, an die Leistungen der jüdischen Bevölkerung erinnern und das Gedenken an die jüdischen Opfer bewahren“, beschreibt Hermann Simon die Aufgabe der Stiftung.
Der Direktor erinnert sich auch an so manche schlaflose Nacht und an Momente, in denen etwas schiefging, wie etwa vor der Ausstellung „Erbe und Auftrag“: Kurz vor Eröffnung versagte die komplizierte Technik.
„Ich wollte immer hier sein, meine Tür war stets offen, ganz egal, ob gerade eine Berühmtheit da war oder jemand, der bei uns im Archiv nach seiner Familie suchte“, sagt Simon rückblickend. Die Kollegen sollten wissen, dass sie jederzeit hereinkommen konnten.
„Das Centrum Judaicum ist zu einer der ersten Adressen des Meinungsaustauschs zwischen Juden und Nichtjuden wie überhaupt zu wichtigen gesellschaftlichen Fragen geworden. Das ist maßgeblich dem hohen Engagement von Herrn Dr. Simon zu verdanken“, würdigte der Staatssekretär für kulturelle Angelegenheiten, Tim Renner, Simons jahrzehntelangen Einsatz.
Er habe zudem durch seine reichhaltige publizistische Tätigkeit wesentlich „zur Versachlichung und zum Abbau von Emotionen in einem besonders schwierigen Thema unserer Gesellschaft beigetragen“, sagte Renner.
Tatsächlich ist Simons Publikationsliste so umfangreich, dass man lange braucht, um allein die Titel zu lesen. Seine erste Veröffentlichung schrieb er auf dem Gebiet der Numismatik, zum Thema „Die sassanidischen Münzen des Fundes von Babylon“, seine vierte über das Berliner Jüdische Museum in der Oranienburger Straße. Sein jüngstes Buch Untergetaucht. Eine junge Frau überlebt in Berlin 1940 bis 1945 handelt von seiner verstorbenen Mutter Marie Jalowicz-Simon, die die Schoa versteckt in Berlin überlebte.
Sich mit jüdischer Geschichte auseinanderzusetzen und sie anderen nahezubringen, hat sich Simon zur Lebensaufgabe gemacht. Auch nach seiner Amtszeit will er sich weiter dafür engagieren – ehrenamtlich und beratend.
„Dieses Bild werde ich mitnehmen“, sagt er und zeigt dabei auf ein Foto, das ihn 1957 als kleinen Jungen in der Ost-Berliner Jüdischen Gemeinde in der Oranienburger Straße bei einer Chanukkafeier neben Rabbiner Martin Riesenburger zeigt.
Dass er jüdisch war, habe seine Klassenlehrerin von Anfang an gewusst, erzählt Simon. Mit sechs Jahren ging er an den Hohen Feiertagen zum ersten Mal in die Synagoge Rykestraße. Seitdem schrieb ihm sein Vater für die Feiertage jedes Mal eine Entschuldigung – die Schule lehnte sie kein einziges Mal ab. Zu seiner Barmizwa-Feier legte die Lehrerin ihm sogar Blumen vor die Haustür.
Hermann Simon wuchs in Ost-Berlin auf. Seine Mutter war Professorin für Antike Literatur- und Kulturgeschichte, der Vater Professor für Hebräisch und arabische Philosophie. Die Jüdische Gemeinde war damals sehr klein. Doch bereits als Kind sei er an allem interessiert gewesen, erzählt Simon, auch an Besuchern aus anderen Ländern. „Bei uns waren Reisende eine Attraktion“, erinnert er sich. Schon damals bat er sie oft um Münzen aus ihren für ihn exotischen Ländern für seine Sammlung – seine große Leidenschaft.
Die Münzsammlung wuchs, aus dem Hobby wurde Simons Beruf. Er studierte Geschichte und Orientalistik an der Berliner Humboldt- Universität mit anschließendem Graduiertenstudium in Prag. Von 1975 bis 1988 arbeitete er am Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin. Bei der Katalogisierung von 400 Münzen aus der Zeit der persischen Dynastie des 6. Jahrhunderts entstand seine erste Publikation.