Text aus: Parks in Berlin. Die 50 schönsten Grünanlagen zwischen Pankow und Britz
Autor: Bahr, Christian
Jaron Verlag
Broschur, 240 Seiten, 58 farbige Fotos
ISBN 978-3-89773-420-3
12,95 Euro
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Der Volkspark Wilmersdorf und der Rudolph-Wilde-Park erstrecken sich zusammen in einer eiszeitlichen Rinne. Die zwei Parks garantieren Abwechslung - vom Jogging-Paradies bis wild-romantischen Ecken.
Der Volkspark Wilmersdorf und der Rudolph-Wilde-Park entstanden vor rund 100 Jahren, als Deutsch-Wilmersdorf und Schöneberg noch selbständige, wohlhabende Städte waren. Die Grünanlagen waren keine Reaktion auf soziale Missstände oder städtebauliche Defizite. Mit ihnen wollten sich die Orte vielmehr schmücken und, im Fall Schönebergs, ein neues Stadtviertel für Begüterte attraktiv gestalten. Das morastige Gelände am Südrand der Kommunen verhinderte ohnehin eine Bebauung und bestimmte auf natürliche Weise Lage und Verlauf der beiden Parks, die über die Bezirksgrenze hinweg einen Grünzug bilden.
Ungewöhnlich sind die Ausmaße des nahtlosineinander übergehenden Duetts: Nur bis zu 150 Meter breit, dehnt sich der grüne Streifen rund 2,5 Kilometer lang aus – ein Paradies für Langstreckenläufer und Jogger. Außergewöhnlich ist auch, dass beide Stadtparks jeweils durch oberirdisch verlaufende U-Bahnschächte durchquert werden.
Obschon die beiden Parks als eine Einheit betrachtet werden können, sind sie keineswegs gleichförmig. Ihr Charakter verändert sich vielmehr von Abschnitt zu Abschnitt, schlägt den Bogen von einem naturnahen Teich im Westen bis zu einem repräsentativen Schmuckplatz im Osten. Am stärksten frequentiert sind die zentralen Wiesen östlich der Uhlandstraße sowie das große Spielareal am Hans-Rosenthal-Platz. Ein gemischtes Publikum und Jugendliche der angrenzenden Schulen suchen die Parks auf.
Der Volkspark Wilmersdorf, der sich vom Autobahnkreuz Wilmersdorf bis zur Kufsteiner Straße erstreckt, bildete sich etappenweise von 1912 bis 1936 heraus und wurde in den 1960er Jahren nochmals umgestaltet. Zwei Verkehrsadern unterteilen die Grünanlage in drei Bereiche. Erste Pläne, die als Baugrund ungeeignete Senke aus der Eiszeit öffentlich zu nutzen, gab es bereits um 1900. Richard Thieme, der Obergärtner der reichen und seit 1906 städtischen Kommune Wilmersdorf, war zuständig für die Durchführung des Projektes.
Schon 1899 hatte man den Wilmersdorfer See südlich des alten Dorfkerns zugeschüttet und damit einen populären Badesee mit Ausflugslokal zerstört. An die natürlichen Gewässer der Senke erinnert heute nur noch der Fennsee im westlichen Abschnitt des Volksparks, der zum Regenauffangbecken ausgewählt wurde und dadurch seine heutige Größe erhielt. Hier, zwischen Kalischer Straße und Blissestraße, ist das Gelände sehr schmal und wird vom See und dessen sehr steiler Uferböschung eingenommen. Dadurch hat der Park an dieser Stelle einen wild-romantischen Charakter. Ein Spielplatz am westlichsten Zipfel nutzt den abschüssigen Hang für eine Rutsche, die dort in die Tiefe führt. Entlang der beiden unzugänglichen, meist dichtbewachsenen Ufer führen Wege durch einen waldartigen Saum aus Ahorn, Buchen, Eichen, Pappeln, Robinien und Holunder. Zur Blissestraße öffnet sich das Gelände zu einer baumbestandenen Wiese. Auf halber Strecke überbrückt der mächtige Bahnkörper der U-Bahn-Linie, die im Zuge der Barstraße vom Fehrbelliner Platz Richtung Krumme Lanke führt, die Senke. Der Brückenschlag der 1913 eröffneten Linie sah bis 1945 noch eleganter aus, da die seitlichen Arkaden damals noch offen waren.
Diesseits des Verkehrsknotenpunktes aus Blisse-, Uhland und Mecklenburgischer Straße beginnt der Abschnitt des Volksparks, der von 1933 bis 1936 nach einem Entwurf von Wilhelm Riemann realisiert wurde. Wo sich einst der Wilmersdorfer See ausbreitete, findet man nunmehr Sportplätze und eine große Liegewiese. Am Zugang Uhlandstraße geht es vorbei am Vereinsgelände des 1. FC Wilmersdorf mit der Gaststätte „Volkspark Baude“. Ein kleiner Staudengarten liegt am Wegesrand, man passiert eine Minigolf-Anlage und einen Spielplatz für Kleinkinder. Hinter dem Sportgelände weitet sich der Park zu einem Wiesental, das von einem schmalen Gehölzstreifen gerahmt wird.
Kurz vor der Bundesallee liegt am südlichen Rand der Wiese ein sehr schmucker, abwechslungsreich bepflanzter Staudengarten mit Heckenrosen, japanischen Kirschbäumen und einem Unterstand.
Nördlich der Liegewiese findet man im Schatten der Bäumeeinen Platz mit Schachbrettern. Von hier aus geht es weiterüber den knallgelben Volksparksteg, der seit 1971 die verkehrsreiche Bundesallee überbrückt.
Der Abschnitt zwischen Bundesallee und Kufsteiner Straße ist der älteste Bereich des Wilmersdorfer Volksparks und wurde nach den Plänen Richard Thiemes angelegt – ab 1912, dem Jahr, in dem der neue Park in der Nachbarstadt Schöneberg vollendet wurde. Auftakt ist eine Platzanlage an der Bundesallee mit einem eindrucksvollen Halbrund alter, hoher Pappeln und der Bronzestatue „Speerwerfer“ im Zentrum. Die originale Skulptur von Karl Möbius von 1921 wurde am Ende des Zweiten Weltkriegs eingeschmolzen; 1954 entstand der Nachguss.
Erneut bestimmt zunächst eine Liegewiese das Parkgelände. Sie ist von naturnaher Bepflanzung umgeben und leicht gewellt. Am Ende der Fußgängerbrücke befindet sich ein Hundeauslaufterrain.
Auf das Wiesental folgt ein waldartiger Bereich, der fest in der Hand von Kindern und Jugendlichen ist: Ein großer Spielplatz, ein Bolzplatz und Tischtennisplatten sorgen für ausgelassenes Vergnügen im Schatten der Bäume. Am Hans-Rosenthal-Platz vor dem Rundfunkgebäude ("RIAS-Gebäude“)befinden sich ein Restaurant mit Biergarten und ein öffentliches WC.
Entlang der Kufsteiner Straße verläuft die Grenze zu Schöneberg,dahinter beginnt der Rudolph-Wilde-Park. Es ist eine unsichtbare Nahtstelle, die der Spaziergänger nicht wahrnimmt.
Wer das 1963 nach dem von 1898 bis 1910 amtierenden ersten Schöneberger Oberbürgermeister Rudolph Wilde benannte Gartendenkmal direkt besuchen möchte, kann dies auf die denkbar bequemste Art tun: Mit der U-Bahn fährt man zum Bahnhof Rathaus Schöneberg. Auf diesem Wege wird auch sogleich klar, mit welcher Besonderheit der Park aufwartet. Die U-Bahn-Station liegt nämlich oberhalb der Erde inmitten der Grünanlage – ein Unikum in Berlin.
Mit dem U-Bahnhof gelang Johann Emil Schaudt, der auch der Architekt des weltbekannten Warenhauses KaDeWe war, trotz schwieriger Bodenverhältnisse in der Senke ein architektonisches Glanzstück. Die 1909/10 erbaute Station ist sowohl Bahnhofshalle als auch aufwendig gestaltete Straßenbrücke (Carl-Zuckmayer-Brücke), die mit Sandstein-Skulpturen repräsentativdekoriert ist. Zugleich bildet sie zum Park, in dessen Verlauf sie quer errichtet wurde, einen funktionalen wie optischen Bezugspunkt. Dank großflächiger Fenster erscheint der Bahnhof nicht als Barriere, sondern erlaubt Durchblicke. Mehr noch, das Bauwerk wirkt dadurch wie eine klassische Orangerie und wird nicht als U-Bahn-Station wahrgenommen. Das Dach, zu dem Freitreppen führen, erfüllt den Zweck einer Terrasse mit Aussicht auf die Grünanlage.
Mit dem Park, der nach der Realisierung der U-Bahn-Station unter der Leitung von Friedrich Gerlach bis 1912 angelegt wurde, entstand ein harmonisches Ensemble.
Zum Rathaus hin verschmelzen Grünanlage und Bauwerk zu einer architektonischen Einheit, einer städtischen Schmuckanlagemit halbrunder Terrasse gegenüber dem Bahnhof und dazwischen liegender Wiese. Der Gestaltung lag ein Entwurf von Paul Wolf zugrunde. Die mit Sandsteinvasen verzierte Brüstung der Terrasse ist im gleichen Stil gehalten wie die Architektur Schaudts. Die hufeisenförmige Promenade rundum die Wiese besteht aus einer doppelten Reihe Platanen. Zahlreiche weiße Bänke unterstreichen den Charakter einer der Erholung dienenden Ruhezone.
Im Zentrum der Terrasse steht der Hirschbrunnen, das Wahrzeichen des Parks. In der Mitte eines runden Springbrunnens erhebt sich eine acht Meter hohe Säule, auf der ein vergoldeter Hirsch mit prächtigem Geweih steht. Das Wappentier Schönebergs schuf Bildhauer August Gaul 1912. Der Hirschbrunnen ist auch Treffpunkt für passionierte Boule-Spieler. In seiner Nähe, am Zugang vom Rathaus, liegt der Biergarten „Platz-Hirsch“ unter Bäumen verborgen.
Westlich des U-Bahnhofs hat der Rudolph-Wilde-Park einen landschaftlichen Charakter. Unterstrichen wird dies gleich zum Auftakt mit einem Teich, der direkt vor dem Verkehrsbauwerk liegt. Das Ufer ist naturnah geformt und bepflanzt. Wer dem Konzert der Frösche lauschen möchte, kann sich auf die schmale Terrasse vor der Bahnhofsfront setzen. Einstschmückten prächtige Kübelpflanzen und Blumenbeete die Plattform knapp über dem Wasserspiegel.
Vom Teich aus erstreckt sich malerisch eine Wiese in der natürlich wirkenden Senke, die von einzelnen Bäumen bestanden und beiderseits von Gehölz gerahmt wird. Ein leicht geschwungener Weg führt durch die Niederung. In der Böschung verlaufen Wege mit Ruhezonen und Bänken.
Am Ende der Wiese stehen alte, hohe Eichen. Ein monumentales Denkmal für die im Ersten Weltkrieg Gefallenen der Eisenbahntruppenwurde 1928 an der Freiherr-vom-Stein-Straße aufgestellt.
Die Kufsteiner Straße ist erreicht, der Volkspark Wilmersdorf beginnt.
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